ISO 26000 und ONR 192500. Mit Zertifikaten zu mehr Corporate Social Responsibility.

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OLYMPUS DIGITAL CAMERADurch die fortschreitende Globalisierung und den damit verbundenen weltumspannenden ökonomischen, ökologischen und sozialen Problemen verlieren nationale Grenzen zunehmend an Relevanz. Aufgrund der Absenz globaler Regierungsstrukturen zur Sicherstellung, dass Unternehmen verantwortlich, transparent und ökologisch nachhaltig agieren, entstand eine Vielzahl freiwilliger CSR-Infrastrukturen. Den derzeitigen Höhepunkt zur Ausrichtung und Zukunft von gesellschaftlicher Verantwortung bildet die im Jahr 2010 veröffentlichte Norm ISO 26000. Sie besitzt Leitfadencharakter und ist explizit nicht für Zertifizierungszwecke vorgesehen. Auf Basis der ISO 26000 wurde in Österreich im Jahr 2011 mit der Veröffentlichung der ONR 192500 die Voraussetzung zur zertifizierbaren Konkretisierung geschaffen.

Auf Basis dieser Ausgangssituation wurde im Rahmen einer Masterarbeit an der FHWien der WKW grundlegend untersucht, warum sich österreichische Organisationen nach der ONR 192500 zertifizieren lassen möchten und inwiefern institutionelle, organisatorische und individuelle Gründe diese Motivation beeinflussen.

Ergebnisse

Die Organisationen der betrachteten Untersuchungsgruppe beschäftigen sich nicht vorrangig aufgrund institutioneller Motive, sondern aufgrund organisatorischer und vor allem aufgrund individueller Motive mit der ONR 192500. Die Organisationen verspüren keinen institutionellen Druck seitens der StakeholderInnen und stufen Forderungen von KundInnen, LieferantInnen sowie Forderungen seitens der Legislative in Österreich derzeit als gering oder als nicht vorhanden ein. Die Untersuchungsgruppe würde sich mehr Druck dahingehend wünschen und betrachtet sich selbst als jene Partei, von der Druck ausgeübt wird. Im Hinblick auf die Möglichkeit, durch eine Zertifizierung seinen StakeholderInnen das Engagement zu zeigen, wurde von mehreren InterviewpartnerInnen die starke Signalwirkung einer Zertifizierung als dokumentierter Nachweis einer unabhängigen externen Stelle zur Schaffung von Transparenz, Objektivierung und Orientierung hervorgehoben.

Aus organisatorischer Sicht verbinden die befragten Organisationen mit der ONR 192500 eine Stärkung der Organisation in ihrer Langfristigkeit mit dem Bewusstsein, dass man als Organisation eine politische Rolle hat und verantwortungsvolles Wirtschaften die Überlebensfähigkeit steigert. Die ONR 192500 unterstützt sie bei der Themen-Identifikation, Priorisierung und strukturierten Abarbeitung. Für Organisationen, welche bereits über umfangreiche positive Erfahrungen mit Zertifizierungen, vor allem im Bereich Umweltmanagement verfügen, ist die Norm der nächste logische Schritt zur Weiterentwicklung eines bestehenden Umweltmanagementsystems. Sie empfinden eine unabhängige Betrachtung von außen als eine sehr wertvolle Unterstützung und rieten im Rahmen der Gespräche zu einer Zertifizierung, weil unabhängige externe Audits die Möglichkeit bieten, den aktuellen Zustand zu evaluieren und Verbesserungspotentiale aufzuzeigen. Der überwiegende Anteil der befragten InterviewpartnerInnen sieht in einer Zertifizierung langfristige, nicht quantifizierbare finanzielle Vorteile, durch mögliche Vorzüge bei kriterien-basierten Bewertungen, einem erleichterten Informationszugang und -vorsprung, einschließlich möglicher Kooperationen aufgrund einer gesteigerten Reputation. Darüber hinaus wurde im Rahmen der Gespräche vielfach auf eine erhoffte Differenzierungsmöglichkeit durch eine Zertifizierung hingewiesen, um den Kostenaspekt in den Hintergrund zu rücken und dadurch die Marktposition zu verbessern beziehungsweise die Überlebensfähigkeit zu steigern.

Aus individueller Perspektive zeigen die Ergebnisse, dass gesellschaftliche Verantwortung bei der betrachteten Untersuchungsgruppe tief in der Organisation verankert ist und ein Selbstverständnis darstellt. Die InterviewpartnerInnen sind durchgängig davon überzeugt, dass das Bewusstsein für gesellschaftliche Verantwortung in den nächsten Jahren zunehmen wird. Die Stärkung der Attraktivität als ArbeitgeberIn, die Übereinstimmung persönlicher Werte mit den Werten der Organisation sowie eine Steigerung der Zufriedenheit aus MitarbeiterInnen-Sicht im Rahmen einer nachhaltigen Ausrichtung wurden positiv hervorgehoben. Schlussendlich wesentlich und entscheidend zur Implementierung jeglicher Nachhaltigkeitsthemen und Normen ist die uneingeschränkte Unterstützung der obersten Stelle in der Organisation. Die betrachtete Untersuchungsgruppe brachte klar und eindeutig zum Ausdruck, dass sie sich überhaupt nur deshalb mit Nachhaltigkeit und der ONR 192500 auseinandersetzen, weil diese Themen durch die Leitung unterstützt und forciert werden.

Empfehlungen für zukünftige AnwenderInnen

Zukünftigen AnwenderInnen kann empfohlen werden, sich frühzeitig mit den Inhalten der ONR 192500 auseinanderzusetzen, weil die betrachteten Vorreiter bereits versuchen, Druck auf andere Organisationen in ihrer Wertschöpfungskette auszuüben und die Implementierung einen intensiven Zeit- und Ressourcenaufwand mit sich bringt. Speziell für Unerfahrene bietet die ONR 192500 Strukturierung und Orientierung, weil sie die Themen-Identifikation, Priorisierung und strukturierte Abarbeitung entscheidend unterstützt. Auf Basis der Ergebnisse der Masterarbeit kann eine klare Empfehlung zu einer Zertifizierung ausgesprochen werden, weil sie überwiegend als Nachweis einer unabhängigen externen Stelle betrachtet wird, welche die Handlungen einer Organisation legitimiert und KundInnen weit mehr Sicherheit verschafft als Selbstdokumentation. Die Empfehlung für zukünftige AnwenderInnen eine Zertifizierung anzustreben, wird darüber hinaus von wahrgenommenen Differenzierungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Preispolitik von den InterviewpartnerInnen noch verstärkt.

Hintergrundinformationen und Methodensteckbrief

Dieser Beitrag beschreibt auszugsweise die Ergebnisse einer Masterarbeit mit dem Titel „ISO 26000 und ONR 192500. Mit Zertifikaten zu mehr Corporate Social Responsibility“ für die Stiftungsprofessur Corporate Governance & Business Ethics an der FHWien der WKW. Die Masterarbeit wurde von FH-Prof. Dr. Markus Scholz betreut.

Forschungsdesign Qualitativ
Forschungsfeld Expertinnen
Erhebungsinstrument Leitfaden
Untersuchungsgruppe 6 österreichische Organisationen, welche im Rahmen eines Pilotprojektes im Zeitraum von April 2013 bis Oktober 2013 Beratungsgutscheine vom Lebensministerium, mit dem Zweck einer erleichterten Zertifizierung, erhielten.
Auswertung Qualitative Inhaltsanalyse, einzelfallbezogene und fallübergreifende Analyse

Autor

Gerhard Fischer, MSc. hat den Bachelor-Studiengang Elektronik und Wirtschaft sowie den Master-Studiengang Innovations- und Technologiemanagement an der FH Technikum Wien absolviert und arbeitet als Projektmanager für R&D Projekte bei einem internationalen Technologiekonzern. Zurzeit ist er Student im berufsbegleitenden Master-Studiengang Unternehmensführung – Executive Management an der FHWien der WKW.

Center for Corporate Governance & Business Ethics
FHWien der WKW
Währinger Gürtel 97, 1180 Wien, Austria
T:  +43 (1) 476 77-5735
cgbe@fh-wien.ac.at

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