Vier Motive für CORPORATE SOCIAL RESPONSIBILITY (CSR) in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)

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Mag. Michael Zipperer, Marie Czuray, MA; Teamleiterin Dr. Daniela Ortiz, Julia Domnanovic, MA; Dr. Christopher Kronenberg

99,7 % aller Unternehmen in Österreich sind KMU. Diese 327.500 klein- und mittelständischen Unternehmen sorgen für knapp zwei Millionen Arbeitsplätze hierzulande und erwirtschaften über 60 % der Bruttowertschöpfung. Zurecht sind diese Unternehmen somit als Rückgrat der Wirtschaft zu betrachten.

Aus eben diesem Grund ist Corporate Social Responsibility (CSR) und die Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung in diesen Betrieben von großer Bedeutung, sind sie doch ökonomischer Impulsgeber mit einer starken Hebelwirkung auf dem Weg zu einer nachhaltigen und langfristig erfolgreichen Wirtschaft. CSR in KMU ist folglich von hoher Bedeutung, die Motive für die Umsetzung sind aber nicht überall die gleichen.

Mitte der 1990er Jahre hat der Begriff CSR in Verbindung mit Unternehmensstrategie Eingang in die wissenschaftliche Literatur gefunden. Seither wurde eine Vielzahl an unterschiedlichsten Bezeichnungen und verschiedensten Begriffen formuliert und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema ist erforderlich, um den Überblick zu bewahren. Dass in der Literatur eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe und Definitionen von CSR vorhanden sind, hat im Wesentlichen zwei Ursachen: Erstens, die Komplexität von Nachhaltigkeit an sich. Im Spannungsfeld zwischen Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft gibt es unterschiedliche Perspektiven und Priorisierungen. Zweitens, verantwortungsvolles Wirtschaften ist ein sehr dynamisches Konzept. Im breiten Tätigkeitsfeld von klein- und mittelständischen Unternehmen- mit heterogenen Branchen, verschiedensten Interessensgruppen, unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Motivationen – kann CSR gar nicht absolut formuliert werden. Folgerichtig muss sie an die jeweilige unternehmerische Realität angepasst beschrieben werden.

Um dieses Durcheinander an Beschreibungen, Formulierungen und Motiven zu durchleuchten hat das „Stadt Wien Kompetenzteam für nachhaltiges, strategisches und chancenorientiertes Management von KMU“[1] die in der wissenschaftlichen Literatur vorhandenen Bezeichnungen und Motive von CSR erhoben und untersucht. Trotz aller Unterschiedlichkeiten bestehen auch wiederkehrende Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Motiven. Diese wurden im Hinblick auf ihre Relevanz in KMU zu vier Hauptmotiven komprimiert und für die unternehmerische Praxis anschaulich aufbereitet.

Welche davon treiben Ihr Unternehmen auf dem Weg in eine nachhaltigere und verantwortungsbewusstere wirtschaftliche Zukunft an?

1. Wertehaltung und soziale Beziehungen von UnternehmerIn, EigentümerIn und GeschäftsführerIn

Insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen wird CSR von den Werten und Prinzipien der Führungsebene und deren Beziehungen zu wichtigen StakeholderInnen vorangetrieben. Entscheidungsfindung und Strategieformulierung werden oft von nur einer Person – GründerIn, UnternehmerIn oder GeschäftsführerIn – initiiert, auch wegen der finanziellen und inhaltlichen Unabhängigkeit ihres Unternehmens. Einführung bzw. Umsetzung von CSR ist dann das Resultat deren Eigenmotivation und persönlichen Interesses.

Eine Voraussetzung für verantwortungsbewusstes Wirtschaften ist, dass sich UnternehmerIn, EigentümerIn oder GeschäftsführerIn die positiven, aber auch negativen, Auswirkungen des eigenen Betriebes auf andere bewusst machen. Dafür sind neben den Produkten oder Dienstleistungen, die dazugehörigen Lieferketten, das Verhältnis zur Belegschaft und das Angebot in der Kantine zu reflektieren.

Wichtig bei der Umsetzung von konkreten Maßnahmen sind Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Die Berücksichtigung der Anliegen von Betroffenen und Einbindung der MitarbeiterInnen im Vorfeld erhöhen die Akzeptanz. Entscheidendes Element ist aber Authentizität und Vorbildwirkung der GründerIn, UnternehmerIn oder GeschäftsführerIn. Nur so kann die Belegschaft mit an Bord geholt und der Funke der Motivation auf die MitarbeiterInnen überspringen. Hingegen kann das reine Anordnen von CSR „von oben herab“ zum Hemmschuh werden und sogar abwehrende Reaktionen hervorrufen.

KMU sind oft in der Region bzw. Gemeinde verwurzelt. Deshalb lohnt der Fokus auf die spezifischen regionalen gesellschaftlichen Anforderungen, da diese einem Unternehmen – oftmals auch unbewusst – soziale und ökologische Verpflichtungen auferlegen. Diese Erfordernisse zu kennen und zu berücksichtigen ist sowohl aus Gründen der Reputation wie auch der Stärkung der gesellschaftlichen Bindungen vor Ort wichtig.

Die Formulierung spezifischer Umwelt- und Sozialziele sowie die Bereitstellung der dafür notwendigen Ressourcen ist dabei wesentlich und Voraussetzung für eine proaktive, verantwortungsvolle und nachhaltige Unternehmensstrategie.

2. Geschäftliches Umfeld und langfristige Entwicklung

Diese Treiber orientieren sich am wirtschaftlichen Umfeld, sowie Markt- und Branchenanforderungen. Die langfristige Weiterentwicklung des Unternehmens ist das zentrale Element, das bei der Umsetzung von unternehmerischer Verantwortung unbedingt zu berücksichtigen ist. Die Integration gesellschaftlicher Belange in die Strategie wird zum Motor für Innovation und Sicherung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit.

Um dies zu erreichen ist es wichtig, dass die Maßnahmen an der Struktur der jeweiligen Branche und dessen Wettbewerbssituation ausgerichtet sind. Klein- und mittelständische Betriebe setzen CSR oftmals als Reaktion auf Markt-, Branchen- und gesellschaftliche Bedürfnisse um. Diese geben KMU dann an die Zulieferer weiter und erhöhen die Anforderungen, bspw. in Bezug auf die verwendeten Rohstoffe oder Verpackungen. Dadurch verpflichten sie ihr geschäftliches Umfeld zur Einhaltung verbindlicher Standards und der Berücksichtigung von Sozial- und Umweltfragen. Ganz wesentlich für die erfolgreiche und glaubwürdige Umsetzung von CSR ist, dass ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird, der alle Bereiche des Unternehmens integriert und die Gegebenheiten des jeweiligen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeldes berücksichtigt.

Für den langfristigen Unternehmenserfolg sind klarerweise auch die CSR-Maßnahmen auf lange Zeit auszurichten. Um diese nachhaltig umzusetzen, ist es unabdinglich, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Blick zu haben. Aber darüber hinaus sind auch Strukturen zu entwickeln und Initiativen umzusetzen – bspw. regelmäßige Optimierung der Lieferketten und / oder die strategische Suche nach Innovationen – um sich als verantwortungsbewusstes Unternehmen dauerhaft zu positionieren. Studien belegen, dass CSR die wirtschaftlichen Grundlagen auf Dauer fördert. Im Tourismus bspw. wirkt es direkt auf die Attraktivität von Reisezielen und sichert die ökonomische, ökologische und soziale Leistungsfähigkeit von Unternehmen und Region.

Zusätzlich ist Reputation einer der bedeutendsten Erfolgsfaktoren und kann durch authentische CSR gestärkt werden. Dementsprechend wird CSR auf die generelle Verbesserung der Glaubwürdigkeit und Steigerung des Vertrauens des Unternehmens ausgerichtet. Das Forcieren höherer Branchenstandards sind ein Mittel zur Verbesserung der Reputation und damit zur Entstehung von Wettbewerbsvorteilen.

3. Bedeutung formaler Prozesse

Die Forderung nach Implementierung extern definierter Standards, Zertifizierungen und Umweltmanagementsysteme, die oft von KundInnen gefordert oder als Branchenstandards erhoben werden, sind die zentralen Beweggründe dieses Motives.

Die Entwicklung eigener CSR-Strategien ist ein aufwendiger und zeitintensiver Prozess, der viel Wissen voraussetzt. Die Sachkenntnis und die notwendigen personellen Ressourcen können – gerade bei kleineren Unternehmen – nicht vorausgesetzt werden. Dies kann durch die Übernahme formaler Prozesse unterstützt werden, da hier auf ein umfangreiches Netzwerk an Wissen, Erfahrungen und Routinen zurückgegriffen werden kann.

Ein häufiges Motiv für die Umsetzung externer Richtlinien in KMU ist das Streben nach Steigerung der Effizienz durch Optimierung der Kosten, bei gleichzeitiger Verringerung der Umweltbelastung. Allerdings sind, wie schon erwähnt, oftmals das strategische Bewusstsein und die erforderliche Expertise über Umweltfragen und gesellschaftliche Anforderungen nicht vorhanden, um sich auf diese Weise einen langfristigen Wettbewerbsvorteil verschaffen zu können. Damit die Umsetzung externer Standards zu einem wirtschaftlichen Gewinn führt, braucht es eine klare strategische Ausrichtung des Unternehmens durch die EntscheidungsträgerInnen. Auch können formale Prozesse Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung der bestehenden Standards sein, die dann betriebs- und branchenspezifisch erweitert und vorangetrieben werden.

Ein weiterer Vorteil der Umsetzung von externen Standards und Zertifizierungen ist die erleichterte Kommunikation und zielgerichtete Adressierung von Öffentlichkeit und Interessensgruppen. In der unternehmerischen Praxis ist es oftmals so, dass KMU zwar um die Möglichkeiten der Reputationsverbesserung durch Integration von sozialen und ökologischen Belangen wissen, in vielen Fällen jedoch nicht darüber berichtet wird. Gründe hierfür sind zum einen, dass eine strategische Kommunikation entsprechend zusätzliche – in der Regel nicht vorhandene – Ressourcen erfordert. Zum anderen aber auch, dass klein- und mittelständische Unternehmen oft Maßnahmen zur unternehmerischen Verantwortung umsetzen ohne diese als solche zu bezeichnen.

Insbesondere für KMU, die in der öffentlichen Wahrnehmung präsenter sind und von externen Interessengruppen und / oder gesetzlichen Bestimmungen angetrieben werden, ist die Implementierung formaler Prozesse von Bedeutung, da diese den Dialog mit StakeholderInnen erleichtern. Darüber hinaus ermöglichen externe Managementsysteme eine Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen und bieten bis zu einem gewissen Grad auch Transparenz.

4. Zivilgesellschaftliches Engagement

Die Wahrnehmung gesamtgesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen ist die treibende Kraft dieses Motivs. Hierbei agiert das KMU als ziviler Akteur (Corporate Citizen) und übernimmt politische Aufgaben.

Konkret wirken Unternehmen bei der Formulierung von Normen und Richtlinien aktiv mit, die an und für sich in der Verantwortung des Staates liegen. Sie nehmen dabei politische Rollen ein und werden aktiv, um vorhandene „Regulierungslücken“ zu beseitigen – bspw. wenn unzureichende oder veraltete Sozial- und Umweltstandards in einer Branche bestehen. Diese Unternehmen initiieren oder beteiligen sich dann an Maßnahmen zur Selbstregulierung und setzen sich für die gesetzlich verbindliche Integration von ökologischen und gesellschaftlichen Aspekten ein, wenn mangelnde Bereitschaft oder Unvermögen seitens der Regierungen vorhanden ist.

Dass sich Unternehmen in quasi-staatliche Rollen versetzen, in denen sie wichtige Entscheidungen über das Gemeinwohl treffen, geht aber auch weit über traditionelle Umsetzungen von Corporate Social Responsibility und unternehmerischer Verantwortung hinaus.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Treiber für Implementierung und Umsetzung von unternehmerischer Verantwortung in KMU sehr vielfältig sind. Es ist zu betonen, dass diese hier eruierten vier Überthemen und Motive keine scharf abgegrenzten Felder sind, sondern in der Regel in gemischter Form auftreten. Auch haben die verschiedenen Treiber eine unterschiedliche Bedeutung für die einzelnen Unternehmen und Branchen.

Wichtig ist aber die klare Unterscheidung dieser vier Ansätze gegenüber der reinen Philanthropie – bspw. Geld spenden. Ein solch allgemeines menschenfreundliches Verhalten, ist von CSR abzugrenzen, da hier keine Verbindung zur unternehmerischen Strategie und dem Geschäftsfeld vorhanden ist. Diese Zusammengehörigkeit ist aber Kernelement und unabdinglich für die authentische Umsetzung unternehmerischer Verantwortung.

Letzten Endes ist es auch sekundär welches Motiv ein Unternehmen bei der Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung antreibt. Primär ist, dass die Maßnahmen spezifisch, strategisch, langfristig und authentisch sind. Dann werden die Motive auch zu wirtschaftlichen Vorteilen und die vielen einzelnen Impulse von aktuell 327.500 KMU in Österreich können eine große gemeinsame Hebelwirkung entfalten und den Weg in eine nachhaltige und langfristig erfolgreiche ökonomische Zukunft bereiten.

Autorinnen, Autoren, Projektteam

Teamleiterin Dr. Daniela Ortiz
Mag. Michael Zipperer

Stadt Wien Kompetenzteam für nachhaltiges, strategisches und chancenorientiertes Management von KMU“ am Competence Center for Corporate Governance & Business Ethics (CGBE) des Research Cluster SMEs & Family Businesses der FHWien der WKW.

Das Team (siehe Foto oben):
Mag. Michael Zipperer
Marie Czuray, MA
Teamleiterin Dr. Daniela Ortiz
Julia Domnanovic, MA
Dr. Christopher Kronenberg

CGBE forscht an Grundlagenprojekten, generiert Fallstudien und transferiert Forschungsergebnisse in anwendungsbezogene Kontexte. Das Center arbeitet ausdrücklich interdisziplinär und in enger Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen (Hochschulen; Unternehmen; Ministerien; NGOs). Dieses beispielgebende Kooperationsmodell leistet einen entscheidenden Beitrag zur Ausbildung zukünftiger Führungskräfte.

Projektförderer: MA 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik

Quellen und links

Center for corporate governance and business ethics

[1] „Stadt Wien Kompetenzteam für nachhaltiges, strategisches und chancenorientiertes Management von KMU“, Center for Corporate Governance and Business Ethics (CGBE) des Research Clusters SME & Family Businesses der FHWien der WKW

MA 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik

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