1 Glasrecycling als Modell für Kreislaufwirtschaft
1.1 Stoffkreisläufe schließen
Glasrecycling gilt als Urform von Kreislaufwirtschaft. Seit die Sumerer im 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung Sande erstmals zu Glas schmolzen und daraus Alltagsgegenstände und Schmuck formten, wird Glas auch recycelt, also eingeschmolzen und zu neuen Produkten geformt. Ob damals schon Klimaschutzerwägungen eine Rolle gespielt haben, sei dahin gestellt.
Im Österreich des 20. Jahrhunderts spielten definitiv Rohstoffmängel eine Rolle, als die uns wohl vertraute Redistributionslogistik für Glas, Metall, Papier und andere Materialien etabliert wurde, um der Industrie die notwendigen Rohstoffe zu sichern. Die Entwicklung zu einer tendenziellen Überflussgesellschaft in unseren Breiten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts führte zu Abfallproblemen und Deponieraummangel und ließ als weiteren guten Grund für das Schließen von Stoffkreisläufen den Umweltschutz auf die Bühne treten. Die Erlassung des Abfallwirtschaftsgesetzes und diverser darauf basierender Verordnungen gegen Ende dieses Jahrhunderts sind Beispiele der Problemlösung auf legislativer Seite. Dass Recyceln zudem in hohem Ausmaß Energie spart, lässt Kreislaufwirtschaft im Lichte des Klimaschutzes zusätzlich sinnvoll sein.
1.2 Umweltmanagement: Stoffkreislauf und Regelkreis
Neben der Entwicklung einer differenzierten Abfallwirtschaftsgesetzgebung in Österreich und der EU manifestierten sich Ende des 20. Jahrhunderts Leitlinien, die die Transformation des ‚end of pipe‘-Verhaltens zu einem vorsorgenden und gesamthaften Betrachten unternehmerischer Umweltaspekte intendieren. Dazu zählen zum Beispiel Eco-Design-Richtlinien sowie Umweltmanagementnormen wie die europäische EMAS-Verordnung (eco-management and audit-scheme) und ISO 14000 f.
Austria Glas Recycling – in der glücklichen Situation, eine per se umweltfreundliche Unternehmung zu führen – entschied mit Anfang des neuen Jahrtausends, über das Kerngeschäft hinaus auf Umweltrelevanz der Unternehmenstätigkeit zu achten und implementierte das EMAS-Umweltmanagementsystem (UMS). Seither sind der Stoffkreislauf der Glasverpackungen und der Regelkreis des UMS unzertrennliche Zwillinge.
Das Wesen von Umweltmanagementsystemen ist der kontinuierliche Verbesserungsprozess, das heißt die systematische, ständige und alle wesentlichen Umweltaspekte erfassende Verbesserung. Für Austria Glas Recycling heißt das, im gesamten Glasrecyclingsystem im Sinne der Verbesserung der Umweltleistungen wirksam zu werden. Man spricht von indirekten (nicht unmittelbar beeinflussbaren) Umweltaspekten. Dazu gilt es, die Partnerunternehmen und –institutionen, die Stakeholder, alle Akteure im System, im Wertschöpfungskreis zu gewinnen. Dank vielfältiger Maßnahmen, subsumierbar unter dem Begriff Stakeholder-Management, gelingt Schritt für Schritt die positive Veränderung von Umweltauswirkungen im Glaskreislauf. Das Umweltmanagementsystem ist bei Austria Glas Recycling vollständig integriert und garantiert, dass sich das Unternehmen die richtigen Ziele setzt und wirksame Maßnahmen umsetzt.
Das als Stabstelle organisierte Umweltteam der Austria Glas Recycling richtet den fachkundigen Blick auf die Potenziale und Möglichkeiten, strebt stets nach mehr und gewinnt daraus Motivation für die Entwicklung und Umsetzung weiterer Maßnahmen.
1.3 Umwelterklärung: glaubwürdige gehaltvolle Information wird multipliziert
Das zunehmende Umweltbewusstsein der Bevölkerung lässt es für Unternehmen verlockend erscheinen, ihre Produkte oder Leistungen als ökologisch wertvoll anzupreisen. Nicht immer wird gehalten, was versprochen ist. Für Konsument(inn)en ein Quell von Frustration, für tatsächlich umweltorientiert agierende Unternehmen eine Herausforderung. Eine Möglichkeit, sich dieser zu stellen, ist das Veröffentlichen einer Umwelterklärung. EMAS fordert dies – in Abhängigkeit von einigen Faktoren jährlich oder in größeren Abständen. Daten und Aussagen werden von Auditoren auf Wesentlichkeit und Korrektheit geprüft. Die Umwelterklärung ist somit ein glaubwürdiges Medium für Partner, Stakeholder und Interessierte und beglaubigter Wettbewerbsvorteil.
Austria Glas Recycling publiziert seit 2001 jährlich eine Umwelterklärung (seit 2007 kombiniert als Nachhaltigkeitsbericht). Diese ist zur zentralen Botschafterin für das österreichische Glasrecyclingsystem geworden. Vertreter/innen von Partnerunternehmen bestätigen, dass die Berichte der Austria Glas Recycling als Informationsdokument für die eigene Glasrecyclingarbeit dienen und zur Mitarbeiter/innenschulung herangezogen werden – Multiplikatoreffekt wie er im Buche steht. EMAS-Preise und Austrian Sustainability Reporting Awards (ASRA) sind wertvolle Anerkennungen und gleichsam Gütesiegel, die die Kompetenz der Austria Glas Recycling zusätzlich unterstreichen. Das stärkt die Durchsetzungskraft des Unternehmens und gereicht den Mitarbeiter(inn)en zu Stolz, Freude und Motivation.
2 Verpackungsglasrecycling als Modell für nachhaltiges Wirtschaften
2.1 Ex aequo: Volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Nutzen
Austria Glas Recycling erfüllt mit Umsetzung der Verpackungsverordnung für Glas den in Gesetzestext gegossenen gesellschaftlichen Auftrag zu Abfallvermeidung und Ressourcenschonung. Dies wirtschaftlich und mit größtmöglicher Sorgfalt und Verantwortung zu tun, ist Handlungsmaxime des Unternehmens. Das Geschäftsmodell der Austria Glas Recycling ist einer nachhaltigen Wirtschaftsweise sehr nahe.
- Das Kerngeschäft ist umweltfreundlich. Dank Umweltmanagementsystem ist die kontinuierliche Verbesserung der Umweltleistungen vollkommen integriert
- Erfolg wird gemessen in Sammelmengen und Recyclingquoten. Der volkswirtschaftliche Nutzen zählt mehr als kurzfristiger Finanzgewinn. Laufende System- und Kostenoptimierungen sichern die Wirtschaftlichkeit.
- Die finanziellen Mittel dienen ausschließlich der Organisation des österreichischen Glasrecyclingsystems. Dank Non-Profit-Status fließen Überschüsse immer ins System zurück.
Gute Voraussetzungen, die nachhaltige Entwicklung ebenso systematisch wie das Umweltmanagement zu gestalten. Die Herausforderung liegt naturgemäß in dem sehr viel höheren Komplexitätsgrad. Das gängige 3-Säulen-Modell spricht von der ökonomischen, der ökologischen und der sozialen Säule, die gleichermaßen berücksichtigt und in die Bewertung des Unternehmenserfolges einfließen. Dilemmata sind vorgezeichnet, der Umgang mit diesen will gelernt werden.
Der Status der Austria Glas Recycling entspricht der 2. Generation von CSR: Strategische CSR im Kerngeschäft (gemäß Bertelsmann Stiftung 2009). Es zählt, Glasrecycling mit hohem Verantwortungsbewusstsein zu managen und sich zu einem Unternehmen der 3. Generation von CSR zu entwickeln (Transformative CSR). Ziel ist es, das bestehende Umweltmanagementsystem gemäß EMAS um gesellschaftlich relevante Aspekte zu erweitern, den UMS-Regelkreislauf zu einem Nachhaltigkeitskreislauf werden zu lassen. Unter Federführung des Umwelt- und Nachhaltigkeitsteams wurden Handlungsfelder definiert und analysiert, wo Austria Glas Recycling bereits aktiv ist und wo Potenziale liegen. Geschult am Denken in direkten und indirekten Aspekten erarbeiten Geschäftsleitung und Nachhaltigkeitsteam laufend Möglichkeiten, ökologische und soziale Verantwortlichkeit im gesamten Prozess und in der Lieferkette selbstverständlich zu machen.
2.2 Reflexionskultur im Team: Eigenverantwortlichkeit wächst
Sechs Frauen und 4 Männer (Vollzeitäquivalent etwa 8,5) managen das österreichische Glasrecyclingsystem. Viele von ihnen sind seit vielen Jahren im Team. Sie zeichnen sich durch profunde Kenntnis der Branche aus und haben zahlreiche Entwicklungsschritte und Zäsuren in der Entwicklung des Glasrecyclingsystems erfolgreich bewältigt. Zehn Menschen, die alle an einem Standort arbeiten und sich mehr oder weniger täglich sehen. Eine Binsenweisheit festzustellen, dass relevante Informationen trotzdem nicht immer ihren Weg finden, dass die ‚Gefühlsunterwelt‘ sich manchmal in Szene setzt, dass es – kurz gesagt – des kontinuierlichen Arbeitens an der Teamkultur bedarf. Kontinuierliche Verbesserung also auch im Bezug auf soziale Aspekte parallel zum lebenslangen individuellen fachlichen Lernen.
Schwelende Konflikte, ob zwischen Teammitgliedern oder im Verhältnis zu den Führungskräften, bremsen ein kleines Team unmittelbar spürbar. Das ehrliche Streben nach gemeinschaftlichen Lösungen befeuert es hingegen ebenso unmittelbar spürbar. Die Eigenmotivation und Bereitschaft, sich zu engagieren, Verantwortung für Prozesse und deren Ergebnisse zu übernehmen, steigt. Austria Glas Recycling etablierte Arbeitsweisen und Settings, die neben der fachlichen Mitgestaltung auch ein wertschätzendes und lösungsorientiertes Herangehen an Themen sozialer Natur zulassen.
2.3 Stakeholder-Einbindung: Gemeinsam erfolgreich sein
Der Erfolg des österreichischen Glasrecyclingsystems beruht von Anbeginn neben anderen Faktoren auf dem Dialog der Austria Glas Recycling mit den Partnerunternehmen und -institutionen. Es gilt, den Ausgleich divergierender Interessen im Sinne des großen Ganzen zu meistern. Gespräche und Meetings mit anderen Akteurinnen und Akteuren im Glasrecycling gehören zum Alltag sowohl der Geschäftsleitung als auch des Teams. Darüber hinaus organisiert Austria Glas Recycling regelmäßig Spezialveranstaltungen, z. B. jährliche professionell moderierten Workshops mit Vertreter(inne)n aller Stakeholder zum Themenspektrum ‚Nachhaltigkeit in der Abfallwirtschaft‘ sowie einmal im Jahr das Fahrer-Meeting für die Fahrer der Glassammel-Lkw.
2.4 Nachhaltigkeitsbericht: Fenster und Spiegel des Nachhaltigkeitsfortschrittes
Austria Glas Recycling publiziert seit 2001 jährlich eine Umwelterklärung gemäß EMAS, seit 2007 kombiniert als Nachhaltigkeitsbericht gemäß GRI. Gewissermaßen war die Veröffentlichung des ersten Nachhaltigkeitsberichtes der Anstoß, ein Nachhaltigkeitsmanagement zu implementieren. Dies mag im Widerspruch zu einer lehrbuchmäßigen Herangehensweise stehen, zeigt aber, dass sowohl der Wunsch des Unternehmens als auch die Erwartung der Stakeholder nach Transparenz im Stande sind, sinnvolle Prozesse im Unternehmen zu initiieren. Austria Glas Recycling orientiert sich an der Global Reporting Initiative (GRI). Die Vorgaben dieser Richtlinie definieren Berichtsthemen und lenken folgerichtig den Fokus auch auf Handlungsthemen.
Mit der Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten lässt Austria Glas Recycling am eigenen Entwicklungsprozess teilhaben, öffnet sich für Kritik und reflektiert regelmäßig Fortschritt und Misserfolge. Somit ist der Nachhaltigkeitsbericht zugleich Mittel und Ergebnis zur kontinuierlichen Verbesserung sowie des Stakeholder-Dialogs.
Die Überprüfung durch Auditoren und die Bestätigung der Korrektheit und Wesentlichkeit der berichteten Daten und Fakten hebt den Nachhaltigkeitsbericht der Austria Glas Recycling von jenen Berichten ab, die sich Nachhaltigkeitsbericht nennen ohne einer Norm, einer Leitlinie zu entsprechen
2.5 Leitmotiv: durch kontinuierliche Verbesserung zu dauerhafte Unternehmenserfolg
Unternehmen sind einem beständigen Wandel unterzogen. Sie werden gewandelt oder wandeln sich, passen ihren Sinn, ihre Leistungen, ihre Abläufe pro aktiv den Herausforderungen und Notwendigkeiten des Umfeldes, des Marktes, der Gesellschaft etc. an.
Mit Etablierung des Umweltmanagements entwickeln die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Prozessverständnis für ihre Tätigkeiten. Das unterstützt sie dabei, Ziele und Zusammenhänge zu erkennen, den eigenen Beitrag einzuordnen und über den eigenen Arbeitsbereich hinaus zu denken. Dies wiederum fördert Zielorientierung und effektive Kooperation im Team und lässt Reibungsverluste verschwinden. Veränderungen können als Lern- und Erweiterungsmöglichkeiten verstanden werden. Die einem Umweltmanagementsystem immanente kontiniuierliche Verbesserung fördert Entwicklung auf persönlicher wie unternehmerischer Ebene.
3 Fazit
Das österreichische System zur Verpackungsglassammlung und –verwertung kann als Role-Modell für nachhaltiges Wirtschaften dienen. Bei Umweltschutz und Abfallwirtschaft sind volkswirtschaftlicher Nutzen und Umweltvorteile höher zu bewerten als kurzfristige Gewinne. Nationale wie supranationale Gesetzgeber sind eingeladen, die sukzessive Etablierung von Nachhaltigkeit in der Abfallwirtschaft zu fordern und zu fördern.
Der Text ist die gekürzte Fassung eines Beitrages von Monika Piber-Maslo für die Management-Reihe Corporate Social Responsibility im Springer Gabler Verlag.