Sweetspot als Chance – Harald Hauke im TRENNT-Interview

0
Harald Hauke, Geschäftsführer Austria Glas Recycling

TRENNT, die Fachzeitung der ARA, führte mit Dr. Harald Hauke, Geschäftsführer der Austria Glas Recycling, ein ausführliches Gespräch zu nachhaltiger Entwicklung und unternehmerische Nachhaltigkeit als Wert für die Kundinnen und Kunden (TRENNT 01/2018). Lesen Sie hier das vollständige Gespräch:

Für fast jeden Lebensbereich gilt es Maßnahmen, Produkte oder Dienstleistungen als nachhaltig auszuweisen. Was genau bedeutet der Begriff? Worauf lässt er sich sinnvoll anwenden?

Hauke: Abgesehen von der Verwendung als Marketing-Begriff, beinahe alles ist heutzutage “nachhaltig”, hat dieses Konzept für mich eine viel umfassendere und ganzheitliche Bedeutung: es geht um “purpose to community”. Zielsetzung muss sein, neben einem unternehmerischen auch einen gesellschaftlichen Mehrwert zu generieren.

Wie kann ein Unternehmen einen positiven Beitrag für die Gesellschaft leisten?

Hauke: In unserem Fall, indem wir die gesellschaftliche Dimension unternehmerischen Handelns, d.h. die Lösung drängenderökologischer und sozialer Herausforderungen – wie zB Rohstoffknappheit, Förderung regionaler Arbeitsplätze, aktiven Klima- und Umweltschutz – in unsere Unternehmensstrategie integrieren. Verpackungssammlung und somit die Sicherung von Rohstoffen ist eine gesellschaftlich wertvolle Leistung.

Nachhaltigkeit klingt oftmals nach Reduzierung, Verzicht. Was würden Sie sagen? Intelligent wachsen oder nachhaltig schrumpfen?

Intelligent wachsen. Denn gerade im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Gesellschaft – die Literatur spricht hier vom sog. “Sweetspot” – in dem die Interessen der Wirtschaft mit jenen der Gesellschaft in Einklang gebracht werden, entstehen die Voraussetzungen für neue Kundengruppen, neue Produkte, neue Märkte und somit neue Geschäftsmodelle.

Schrumpfen um weniger Ressourcen zu verbrauchen würde die Endlichkeit endlicher Rohstoffe nur verlängern. Das ist keine Lösung. Durch die Vernetzung der globalen Wirtschaft sind wir mit Wettbewerb konfrontiert. Neue Technologien und technischer Fortschritt setzen Wachstum voraus. Lange Zeitreihen zeigen, dass Wachstum und Wohlstand positiv korrelieren.

Führt Nachhaltigkeit immer zu positiven Ergebnissen, oder gibt es auch negative Effekte? 

Ich denke auch für diesen Bereich gilt das Gesetz der Polarität: alles hat sein Paar von Gegensätzen …

Wo liegen die Chancen, wo die Risiken bzgl. Nachhaltigkeit / nachhaltigem Handeln / nachhaltigem Wirtschaften?

Wir haben in der ARA einen sehr starken Fokus auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen, um für unsere Kunden einen wettbewerbsfähigen Lizenztarif anzubieten. Wir sehen aber auch unsere gesellschaftliche Verantwortung als wesentlichen Bestandteil unserer Strategie und integrieren diese Themen in unseren Innovationsprozess. Nur so entstehen Chancen und Lösungen um die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen zu lösen.

Ist unsere Gesellschaft auf dem Weg zu einem nachhaltigen Lebensstil?

Vordergründig ja. Es gibt global zahlreiche Initiativen, Ideen und Programme dazu. Die nächsten Jahre werden es zeigen.

Welche Strukturen benötigt das Konzept Nachhaltigkeit? Global? Supranational? National? Regional? Auf Unternehmensebene?

Genau in dieser Abfolge. Ein enorm wichtiger Aspekt darf jedoch nicht vergessen werden: die Ebene des Individuums. Für die Einzelperson ist es nicht schwierig “nachhaltig” zu agieren. Ein Beispiel aus unserem Geschäftsfeld: Einfach leere Verpackungen in einen der 1,7 Millionen Sammelbehälter in Österreich einwerfen. Ein Großteil der Bevölkerung macht das bereits. Vielen Dank an alle nachhaltigen Unterstützer. Leider landen aber nach wie vor viele Verpackungen im Restmüll.

SDGs – wie werden diese in Österreich implementiert? Wie werden die Fortschritte gemessen? Was passiert nach 2030?

Alle 193 Mitglieder der United Nations haben sich dazu verpflichtet, künftig soziale, ökologische und ökonomische Herausforderungen gleichzeitig zu adressieren.Auch Österreich. Per Ministerratsbeschluss im Jänner 2016 wurden alle Ministerien mit der Umsetzung beauftragt. Die österreichische Bundesregierung will den Umsetzungsbericht 2020 präsentieren.Zur Frage der Messbarkeit: Hier würde ich nicht immer nach streng betriebswirtschaftlichen Methoden vorgehen. Aus meinem Verständnis muss nicht jedes Ziel messbar sein. Neben Effizienz steht hier Signifikanz im Vordergrund. Es geht hier um Prinzipien und auch etwas, das nicht messbar ist, kann wertvoll sein.

Wie wirken die SDGs auf die ARA/Austria Glas Recycling?

Wir haben 2017 in der Austria Glas Recycling in einem sehr umfangreichen Prozess und in mehreren – mit allen unseren Stakeholdern durchgeführten – Sustainability Future Councils sechs für das österreichische Glasrecyclingsystem relevante SDGs und Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele definiert. Durch diese sehr intensive Analyse und Auseinandersetzung mit dem Unternehmen, den Kunden, dem Markt und möglicher Zukunftsszenarien schärfen wir den Blick aufs Wesentliche. Ein key learning daraus ist zB das Thema Geschwindigkeit. Wir wechseln in die Phase des “exponentiellen Wachstums”, soll bedeuten, verglichen mit der Zukunft bewegen wir uns heute im Schneckentempo.

Die ARA bezeichnet sich als „Partner in Sustainability“ – wie sieht die Nachhaltigkeitsstrategie der ARA aus?

Wir verfolgen ein ganz klares Ziel. Wir wollen hier in allen Bereichen einen Mehrwert für unsere Stakeholder generieren und sehen uns als engen Partner und Unterstützer bei der Umsetzung der eigenen NH-Ziele unserer Kunden. Wir haben in vielen Bereichen eine gemeinsame Agenda, kennen unsere Kunden seit 25 Jahren, beschäftigen uns mit denselben Herausforderungen und können somit durch unser umfangreiches nationales und internationales Netzwerk viel KnowHow einbringen.

Was genau bedeutet dabei 360-Grad-Kreislaufwirtschaft?

Beginnend bei unserem Kerngeschäft der Sammlung, Sortierung und Verwertung von Sekundärrohstoffen unser Portfolio dahingehend auszubauen, unsere Kunden in allen Bereichen der Circular Economy und der damit notwendigen Digitalisierung zu begleiten. Z.B. der Bereich Circular Design: wir bieten hier unseren Kunden umfangreiche Dienstleistungen bis hin zu einem eigenen Recyclat (ARAprocyclen, ARArecythen) an. Im Bereich Digitalisierung entwickeln wir in unserem Tochterunternehmen Digido zukunftsrelevante Lösungen.

Wo ist Nachhaltigkeit im Unternehmen der ARA verankert/angesiedelt?

Gemäß der Bedeutung und der enormen Potentiale und Chancen auf Vorstands- und Geschäftsführer-Ebene.

Welchen Mehrwert bringt die Nachhaltigkeit der ARA für ARA-Kunden?

Wir geben Antworten auf ökologische Probleme unserer Zeit: Klimaerwärmung, Versorgungsknappheit (Ressourcenmangel), Abfallberge. Denn wir schließen Verpackungskreisläufe, das heißt, wir nutzen die Rohstoffe dauerhaft, immer wieder. Wir vermeiden nicht nur Abfallberge, wir reduzieren damit CO2-Emissionen. Weiters entwickelt ARA gemeinsam mit renommierten Forschungsinstituten green-packaging-Lösungen – insbesondere für Kunststoff, den komplexesten Packstoff – um die Recyclingfähigkeit zu erhöhen. Dies alles trägt dazu bei, die zu erwartenden rechtlichen Vorgaben wie das Circular Economy Package der EU, Circular Design, die EU strategy on plastics, Anti-Littering Forderungen, usw. vorwegzunehmen.

Damit unterstützen wir unsere Lizenzkunden, sich rechtzeitig auf diese legistischen Änderungen vorzubereiten, ihre legal compliance sicherzustellen. Unser Nachhaltigkeitsverständnis und unser Leistungsspektrum ermöglicht es den Lizenzpartnern, sich auf ihr Kerngeschäft im Wettbewerb zu konzentrieren und sich in allen aktuellen und zukünftigen Fragen unseres Kerngeschäfts auf ARA und das ARA-Netzwerk zu verlassen.

Österreich verfügt nun über ein ausgewiesenes Bundesministerium für Nachhaltigkeit und auch im Regierungsprogramm ist engagiertes Eintreten für Nachhaltigkeit verankert. Wie bewerten Sie hier die nationale Entwicklung?

Ausgesprochen positiv! Wir arbeiten seit Jahrzehnten sehr eng mit dem Ministerium zusammen. Ich bedanke mich an dieser Stelle für diese gute Zusammenarbeit. Wo immer wir zukünftig einen Input bringen können und unsere Expertise gefragt ist: wir stehen gerne zur Verfügung.

Die Initiative RESET2020 des BMNT steht für die Verbindung von Ressourceneffizienz im Bereich der Umwelttechnologien, der nachhaltigen Produktion und des nachhaltigen Konsums. Wo setzt die ARA bzw. die Austria Glas Recycling hier an?

Eines der sechs Handlungsfelder von RESET2020 – “Nachhaltiges Rohstoffmanagement” – beschäftigt sich mit unserem Kerngeschäft. Andere Themen, wie zB nachhaltige Produktion und nachhaltiger Konsum werden im SDG 12 abgebildet. Dies ist auch eines jener SDGs, mit denen wir uns in der “Austria Glas Agenda 2030” umfangreich auseinandersetzen.

EU Kreislauwirtschaftspaket 2025 – Bewertung? Wo steht Österreich aktuell? Was sind die großen Herausforderungen?

Österreich steht hier bereits heute sehr gut da. Wir sehen vor allem in den geforderten Kunststoffquoten eine Herausforderung. Niemand in Europa weiß heute, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Wir arbeiten aber bereits daran. Chancen sehe ich im sogenannten Aktionsplan. Dr. Scharff – Vorstand der ARA und Gründungsmitglied der Circular Economy Coalition for Europe – CEC4Europe – ist eines von nur 24 Mitgliedern der Coordination Group der Europäischen Circular Economy Stakeholder Platform und tritt dort auch im Interesse unserer Kunden für Sachlichkeit in wissenschaftlicher Evidenz im politischen Prozess ein.

Autor

Dr. Harald Hauke ist Geschäftsführer der Austria Glas Recycling Gmbh, eines Unternehmens der ARA AG.

Quelle

Trennt 01/2018, www.ara.at

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.

Ähnliche Blogartikel

Darf ich vorstellen? „Reinwerfen statt Wegwerfen“

17. January 2017