Glasproduktion – die Natur hat es vorgemacht
Woher kam der zündende Funke, aus Sanden und anderen natürlichen Rohstoffen Glas zu machen? Das im 18. Jahrhundert von Johann Heinrich Zedler in Leipzig veröffentlichte vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste weiß dazu: „,… Die Erfindung des Glases ist gar sehr alt, weil allbereit in denen Büchern Mosis und Josua dessen erwähnet wird, vermutlich ist es daher gekommen, dass sie gesehen haben, wie allerhand Pflanzen und andere Materien, so in denen heißen Landen an der brennenden Sonne und im Wiederscheine gestanden, vitrisieret und zu Glase worden; dahero man auch bey dieser Arbeit nichts thut, als daß man durch gekünstelt Feuer etwas hervor und zu Wege bringet, als wie die Sonne, welche das natürliche Feuer ist …“‘
Den Sumerern sei gedankt
Die ersten Glaskünstler waren die Sumerer in der Mitte des 3. Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung. Sie stellten Glasperlen und Schmuckgegenstände her. Archäologen legten im heutigen Irak Stücke aus Rohglas frei. Rohglas, in so genannten Primärwerkstätten aus Sanden und Pflanzenasche zu Barren geschmolzen, wurde in einem weiteren Arbeitsschritt in Sekundärwerkstätten zu den gewünschten Gegenständen geformt. Derartige Glasbarren aus Primärwerkstätten hatte ein Schiffswrack nahe dem türkischen Bodrum geladen, das auf das 14. Jahrhundert v. Chr. datiert ist.
Die älteste textliche Erwähnung stammt aus Ugarit (heutiges Nord-Syrien) um etwa 1600 vor unserer Zeitrechnung. Das älteste sicher zu datierende Glasgefäß ist ein Kelch, der den Namen des ägyptischen Pharaos Thutmosis III. trägt und um 1450 v. Chr, entstand. Um einen porösen Keramikkern wickelte man erweichte Glasstäbchen, ließ diese abkühlen und kratzte die Keramik aus dem hart gewordenen Glas heraus. So entstanden Hohlgefäße. Ägyptische Quellen deuten darauf hin, dass in der Anfangsphase der Glasnutzung Rohglas aus dem Osten importiert wurde.
Nach Österreich ist Glas während der Urnenkultur (späte Bronzezeit, 1300 bis 800 v. Chr.) gekommen, vor allem Glasperlen und Glasketten, später auch Fibeln und andere Schmuckstücke.
Die erste bekannte Rezeptur ist aus der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal überliefert (ca. 650 v. Chr.):
Etwa 100 v. Chr. wurde die Glasmacherpfeife erfunden. Sie revolutionierte die Glasherstellung zum ersten Mal.
Glasmachen: streng gehütetes Geheimnis
Von Ägypten wanderte das Glasmacher-Know-How nach Italien und erlebte im Römischen Reich eine erste Hochblüte. Kaiser Diokletian legte 301 n. Chr. die Preise für eine ganze Reihe von Produkten fest, unter anderem für Rohglas. Zu dieser Zeit war die Glasproduktion im Wesentlichen noch immer in Primär- und Sekundärwerkstätten gegliedert. In den Primärwerkstätten wurde das Gemenge in große Schmelzwannen gelegt, der Ofen zugemauert und 10 bis 15 Tage lang befeuert. Acht bis neun Tonnen Rohglas wurden so in nur einem Arbeitsgang erschmolzen. Nach dem Feuerungsstopp und dem Abkühlen trugen die Glasmacher das Gewölbe des Ofens ab und stemmten den Glasblock heraus. Das Rohglas wurde zur weiteren Verarbeitung zu den Sekundärglashütten versandt. Diese waren im ganzen Römischen Reich verbreitet und stellten Hohlglas, Flachglas und Mosaiksteine her. Das Rohglas wurde in einem Tiegel eingeschmolzen. Mit einer Pfeife nahmen die Glasmacher das zähflüssige Glas aus dem Ofen und verarbeiteten es. Das Aufblasen mit der Glasmacherpfeife ermöglichte die Herstellung größerer Gefäße und neuer Formen. Im Römischen Reich verbreitete sich vor allem Behälterglas – im Gegensatz zu den üblichen Ton-, Holz-, Metall- oder Lederbehältnissen ist Glas geschmacksneutral – sowie Karaffen und in der Spätantike auch Trinkgläser.
Die Glasmacherkunst hatte äußerst hohen Stellenwert. Die Glasöfen von Venedig waren nicht nur aus Brandschutzgründen auf die Insel Murano verlagert worden. Es sollte auch das streng gehütete Geheimnis der Glasherstellung bewahrt werden. Den Glasbläsern war es unter Androhung der Todesstrafe verboten, ihr Wissen weiterzugeben.
Von der Glasmacherpfeife zum regenerativen Befeuerungssystem
Friedrich Siemens verdanken wir eine weitere Revolution: Sein Regenerativsystem zur Befeuerung der Schmelzöfen ermöglicht seit 1856 eine industriell organisierte Fertigung von Glasprodukten.
Quellen zu dem Text
Ernst Lasnik, Glas – funkelnd wie Kristall
Geschichte der Glasherstellung