Kaufen, nutzen, entsorgen – in der linearen Ökonomie zielt alles darauf ab, Produkte zu verkaufen und KonsumentInnen vom Kauf zu überzeugen. Wachstum ist das Credo. Nur ein ausreichendes Wirtschaftswachstum sichert unseren Wohlstand. Mehr und noch mehr muss verkauft, konsumiert und schließlich entsorgt werden. Dieser Einstellung erwuchsen Abfallprobleme, auf die unter anderem mit der Etablierung von Verursachergerechtigkeit – manifestiert in Österreich in der Verpackungsverordnung, erlassen in den frühen 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts – reagiert wurde.
Jedoch: Nicht aller Abfall ist Verpackung. Verpackungen machen nur einen Bruchteil des anthropogenen Abfallaufkommens aus. Überdies ist das Abfallthema nur ein Teilaspekt der aktuellen Diskussion um Wachstum, Wohlstand und Nachhaltigkeit. Massiv drängender ist die Tatsache der Knappheit unserer Ressourcen.
Begrenzte Ressourcen fördern das Überdenken des Wachstumsparadigmas
Zunehmend wird das Postulat des immer mehr in einer begrenzten Welt in Frage gestellt. Gerechtigkeits- und Fairnessmotive (Kinderarbeit, der Norden lebt auf Kosten des Südens u.a.) spielen dabei ebenso eine Rolle, wie die Tatsache, dass viele jener Rohstoffe, die das Leben in den „reichen“ Volkswirtschaften so angenehm machen (Erdöl, seltene Erden u.a.) aus Ländern kommen, die demokratiepolitisch fragwürdige und wirtschaftlich instabile Strukturen aufweisen.
Zunehmend ringen daher Wirtschaft, Politik und Wissenschaft – angetrieben von kritischen Gruppierungen der Zivilgesellschaft – um neue Wirtschaftsformen und neue Arten, Wohlstand zu generieren und zu messen. Dies vor dem Hintergrund der exponentiell wachsenden Zahl der ErdenbewohnerInnen, deren Vorbild der Standard der bereits hoch entwickelten Industrienationen ist. Machen wir weiter, wie bisher, wird Mutter Erde bald streiken.
Öffnen Sie den interaktiven Poster über Glasrecycling und globale Implikationen des Ressourcenverbrauchs.
Sehen Sie das Video ‚Ressourcen und Kreislaufwirtschaft‘
Demographie und Klimawandel verlangen eine neue ökonomische Vernunft
Die Menschen werden immer älter und die Menschheit wächst von heute ca. 7,3 Mrd. Menschen auf ca. 9,7 Mrd. im Jahr 2050 (Quelle: www.weltbevölkerung.de). Das führt individuell zu berechtigter Freude, kann uns allerdings global in Ressourcenbedrängnis bringen, es sei denn, wir entwickeln eine neue ökonomische Vernunft.
Hinzu kommen die Unberechenbarkeit der Auswirkungen des Klimawandels und die Annahme, dass extreme Wetterereignisse in Zukunft häufiger und desaströser auftreten werden.
Die nachfolgende Grafik zeigt die Entwicklung in zwölf wesentlichen Bereichen, die die globalen ökonomischen Aktivitäten verlinkt mit umweltrelevanten Aspekten zeigt und zwar zwischen den Jahren 1750 und 2000. Ab 1950 kommt es in allen Bereichen zu einem extrem steilen Anstieg.
Quelle: New Scientist Magazine, Okt. 18/08
Welche Antworten haben wir darauf?
Es gibt eine Strömung, die der Meinung ist, dass wir uns von der Maxime des Wachstums zu verabschieden haben, die sog. De-Growth-Bewegung. Doch wie man sieht, haben die meisten Menschen lieber ein schlechtes Gewissen, als auf ein PS-starkes Auto oder das tägliche Schnitzel zu verzichten.
Andere sind der Meinung, dass man die aktuellen Probleme, wie zB die Klimaproblematik, nicht durch Verzicht, sondern nur durch technologischen Fortschritt lösen kann; dh nur durch Innovationen kann der Wohlstand der Menschheit auf Dauer gesteigert werden.
Sie sehen die Wachstumsphilosophie nicht als Teil des Problems, sondern vielmehr als einen Teil der Lösung. Es muss aber das „richtige“ bzw. ein nachhaltiges Wachstum sein, dh ein Wachstum ohne weiteren zunehmenden Verbrauch kritischer bzw. knapper Ressourcen, bei gleichzeitiger Entlastung der Umwelt. Der Club of Rome spricht hier von „Total Decoupling“. Das Konzept der Circular Economy geht sehr stark in diese Richtung.
Circular Economy als Alternative zur Linear Economy
Kreislaufwirtschaft kann in einer neuen ökonomischen Ordnung eine zentrale positive Rolle spielen. Es gilt, jene Ressourcen, die auf dem Markt bzw. im Umlauf sind, auch so lange wie möglich dort zu halten. Anstatt dem Konzept „produzieren-konsumieren-wegwerfen“ zu folgen, ist die Vision einer abfallreduzierten – oder noch besser – einer abfalllosen Gesellschaft zu realisieren. Die Recyclingquote für Siedlungsabfälle in der EU beträgt gem. Eurostat (2014) lediglich 42%. Hier besteht noch Potenzial nach oben.
Die Gesellschaft ist teilweise bereit dazu. Vintage ist im Trend, Re-Use en vogue, Repair-Cafes sind in, aus alten Gütern selbst neue herzustellen, gilt als sinnvolles Hobby. Was als Initiative von ökologisch und sozial engagierten Menschen begann – die Schaffung eines Marktes für alte aber noch brauchbare Güter – ist vielfach bereits institutionalisiert, sehr häufig unterstützt von abfallwirtschaftlichen Organisationen.
Eine Voraussetzung von ökologisch sinnvoller und ökonomisch prosperierender Kreislaufwirtschaft ist u.a. auch das Thema ECO-Design: Ein Produkt, sei es ein Mobiltelefon oder ein Auto, muss derart zusammengebaut sein, dass nach dem Ende der ursprünglich zugedachten Nutzung die einzelnen Komponenten einfach auseinandergenommen und bei möglichst geringem Abfallaufkommen einer neuen Verwendung als Bestandteil oder als Material zugeführt werden können.
Circular Economy verbindet viele Vorteile: Wirtschaftswachstum verbunden mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, bei gleichzeitigem Schutz der Umwelt und Sicherung von wertvollen Rohstoffen.
Am Beispiel des Packstoffes Glas lässt sich das Konzept der Kreislaufwirtschaft – welches von der Idee des niemals endenden Kreislaufs geprägt ist – perfekt darstellen. Glasrecycling zeigt deutlich, wie Kreislaufwirtschaft funktionieren kann. Neben den rein ökonomisch orientierten Zahlen spielen auch Fakten wie Umweltschutz, Klimaschutz und gesellschaftliche Verantwortung eine Rolle. Ein Anspruch, der für Austria Glas Recycling nicht neu, sondern gelebte Realität ist. Zum Vorteil der Gesellschaft und der österreichischen Wirtschaft.
Gelungene Kreislaufwirtschaft am Beispiel Glasrecycling in Österreich
Das Video zum Plakat ‘Der Glaskreislauf‘
Welche Strategie für die menschliche Nachhaltigkeit in diesem Jahrhundert erfolgreich sein wird, kann jetzt niemand sagen, es ist daher sinnvoll, eine möglichst große Vielfalt an Aktivitäten, Konzeptentwicklungen, Pilotprojekten, Meinungen etc. nicht nur zuzulassen, sondern zu fördern, denn wie in der Natur sind die resilientesten Systeme diejenigen mit dem größten Reportoire an möglichen Anpassungsstrategien, auch wenn sich diese zunächst vielleicht sogar widersprechen mögen.
In diesem Sinne finde ich den Ansatz der AGR sehr gut, insbesondere im neuen Buch “Circular Thinking” solche durchaus widersprüchlichen Konzepte nebeneinander zu stellen, denn nur diese Vielfalt des Denkens und Handelns bringt uns zu neuen, resilienten, nachhaltigen Lösungen.
Dummerweise passieren ja die wichtigsten Veränderungen sprunghaft und meist dort und so wie man es am wenigsten erwartet hatte. Im Nachhinein haben ein paar das dann eh schon vorher gewusst, Da wir aber heute nicht wissen, welche das morgen gewesen sein werden, gehören heute alle möglichen Innovatoren gefördert, wobei sich das derzeit vorhandene europäische und nationale Förderinstrumentarium durch kontraproduktive Förderrichtlinien und Auswahlkriterien mehr und mehr als innovationshemmend erweist. Das innovativste in vielen öffentlich hochgelobten Förderprojekten ist eher die sehr kreative Antrags- und Berichtslyrik…
… meint ganz ehrlich
Matthias Neitsch, RepaNet