Österreich verfügt heute über ein sehr gut ausgebautes Sammel- und Verwertungssystem zur getrennten Sammlung von Altstoffen. Die bestehenden Systeme haben ihren Ursprung in Sammelstrukturen, die nach dem zweiten Weltkrieg zur Versorgung der österreichischen Industrie mit Sekundärrohstoffen aus dem Inland eingerichtet wurden. Dazu erfolgte 1946 die Vereinsgründung der Österreichischen Produktionsförderungsgesellschaft (ÖPG) – ab 1985 AREC Austria Recycling Verein zur Förderung von Recycling und Umweltschutz in Österreich. Mitte der 1950er Jahren führte die ÖPG umfassende Sammelaktionen in ganz Österreich, wie beispielsweise die Aktion „Knochen gegen Seife“ durch. 1964 folgte der Start der Altpapier-Sammlung, gefolgt von der Alttextilien-Sammlung im Jahr 1965. Mitte der 70er Jahre initiierte die ÖPG die ersten Gesamtentsorgungskonzepte für Gemeinden. 1976 startete die Altglas-Sammlung und 1981 die Altmetall-Sammlung (SCHELMBAUER, 2006).
Quelle: AREC Austria Recycling
Im Zeitverlauf veränderten sich die Motive zur Altstoffsammlung deutlich. Die Rohstoffknappheit der Nachkriegsjahre war nicht mehr gegeben. Steigende Rohstoff- und Energiepreise sowie die Knappheit an Deponievolumen in den 70er und 80er Jahren führten zu einem Prozess des Umdenkens hin zu Aspekten des Umweltschutzes, der Kreislaufwirtschaft und zu neuen wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Altstoffsammlung in Haushalten (VOGEL, 1976). Folgend wurde die Altpapier-Sammlung 1980 von der Bündelsammlung auf eine zeitgemäße flexible Behältersammlung umgestellt. 1980 erfolgte die Aufstellung der ersten 1.500 Sammelbehälter in Wien und Kärnten (BREINL, 1987).
Die nachfolgende Tabelle 1 zeigt eine vergleichende Darstellung des parallelen Einsatzes der Behälter- und Bündelsammlung in Niederösterreich und Tirol. Die Effizienz der Sammelbehälter im Vergleich mit der Bündelsammlung ist durch deutlich höhere Sammelmengen erkennbar.
Bundesland | Sammelsystem | Einwohner | Sammel-Menge in Tonnen |
Sammel-Menge kg/EW*a |
NÖ (1986) | Behältersammlung | 437.000 | 6.033 | 13,8 |
Bündelsammlung | 972.000 | 4.343 | 4,5 | |
Tirol (1986) | Behältersammlung | 134.000 | 2.546 | 19,0 |
Bündelsammlung | 405.000 | 1.776 | 4,4 |
Tab. 1: Effizienz der Sammelbehälter am Beispiel Niederösterreich und Tirol 1986 (BREINL, 1987)
Gesamtentsorgungskonzepte
In den 80er Jahren forcierte die AREC die Entwicklung von der systemlosen, unkoordinierten Altstoffsammlung hin zu umfassenden Altstoff-Sammelsystemen den sogenannten „Gesamtentsorgungskonzepten“. Diese beinhalteten beispielsweise integrierte Systeme wohnungsnaher Sammeleinrichtungen, mit dezentralen und zentralen Sammelstellen. Des Weiteren implizierten die Gesamtentsorgungskonzepte erstmalig einheitliche bürgerfreundliche Informations- und Motivationskonzepte. Tabelle 2 zeigt beispielsweise den durch die Einführung eines Gesamtentsorgungskonzeptes erzielten Anstieg der Sammelmengen von 1986 bis 1988 in Bregenz (GEHRER, 1987).
Altstoffe in (kg/EW*a) | 1986 ohne Gesamtentsorgungssystem | 1988 mit Gesamtentsorgungssystem |
Altpapier | 19,6 | 35,1 |
Altglas | 18,1 | 20,3 |
Alttextilien | 1,0 | keine Angabe |
Altmetall | 0,6 | 1,1 |
Tabelle 2: Vergleich der Altstoffsammelmengen zwischen den Jahren 1986 und 1988 in kg/EW*a in Bregenz (GEHRER, 1987)
Durch die Einführung der Gesamtentsorgungskonzepte erfolgte in Städten und Gemeinden eine Umstellung der Altstoffsammlung auf zeitgemäße, den Sammelmengen angepasste Sammelsysteme. Dabei wurden Monosammlungen einzelner Altstoffe koordiniert und in umfassende Gesamtentsorgungskonzepte eingeführt. Circa 250 Gesamtentsorgungskonzepte wurden seitens der AREC für Gemeinden ausgearbeitet und umgesetzt (SCHELMBAUER, 2006). Der Erfolg der Gesamtentsorgungskonzepte zeigte sich in deutlichen Rückgängen der Altstoffmengen im Restabfall sowie der Kosteneinsparungen für die entsorgungspflichtigen Gemeinden (GEHRER, 1987 und VOGEL, 1984). Beispielhaft dazu zeigt Abbildung 1 ab dem Start der getrennten Sammlung von Altstoffen 1988 in Bregenz eine deutliche Verringerung dieser im Restabfall. Die strafierten Balken veranschaulichen die Restabfallmengen die dunkelgrau hinterlegten die Altstoffmengen in %.
Abb. 1: Restabfallreduzierung durch die getrennte Altstoff-Sammlung in der Stadt Bregenz (AREC, 1990)
Start der Altpapierbündelsammlung
Abbildung 2 veranschaulicht den Anstieg der Altpapier-Sammelmengen im Zeitverlauf von 1964 bis 1993. Der Start der Altpapierbündelsammlung geht auf das Jahr 1964 auf die Bundesländer Wien und Oberösterreich zurück.
Abb. 2: AREC Altpapier-Sammelmengen und bundesweite Altpapier-Sammelmengen aus Haushalten in Österreich in kg/EW*a von 1964 bis 1993 (AREC, s.a.a und BREINL 1987 und 1994)
1966 erfolgte eine Sammelgebietsausweitung auf die Bundesländer Niederösterreich und Salzburg. Mitte der 70er Jahre erfolgte eine Intensivierung der Sammlung (Stadt von vier auf zwölf Mal, Land von zwei Mal bis vier Mal auf sechs Mal jährlich). Durch diese Maßnahme konnten die Sammelmengen erneut gesteigert werden (NEUHOLD, 1977). Die gewünschten Sammelmengen konnten jedoch nicht erreicht werden. Folgend wurden erste Testversuche im Hinblick auf alternative Sammelsysteme durchgeführt. 1980 wurde die Altpapier-Behältersammlung in Wien und Kärnten eingeführt. Begleitend dazu wurde eine umfassende Werbekampagne in ganz Österreich geschaltet. Aufgrund der positiven Sammelmengen wurde das Netz an Sammelbehältern laufend ausgeweitet. 1983 standen beispielsweise ca. 60.000 Sammelbehälter, 1984 ca. 85.000 und 1986 bereits über 100.000 Sammelbehälter zur getrennten Altpapier-Sammlung zur Verfügung. Das vermeintliche Absinken der Sammelmengen in Abbildung 2 von 1991 auf 1992 kann auf eine lückenhafte Datenaufzeichnung zurückgeführt werden. Die Datenlücke wurde 1993 wieder bereinigt. Zusammenfassend stiegen die AREC-Sammelmengen um 27,4 kg/EW*a über 29 Jahre (Sammelmengen 1964 0,1 kg/EW*a). 1993 betrug die getrennt gesammelte AREC Altpapier-Menge 27,5 kg/EW*a (gesamt 135.600 t; ohne Verpackungen).
Altglassammlung – Start 1977
Die folgende Grafik (Abbildung 3) veranschaulicht die Entwicklung der Altglas-Sammelmengen von 1978 (die Altglas-Sammlung startete 1977, jedoch erfolgte in diesem Jahr noch keine Mengenaufzeichnung) bis 1993. 1977 und 1980 wurden die ersten Behälter zur Altglas-Sammlung aufgestellt. Von 1981 bis 1984 gab es ähnlich der Altpapier-Sammlung Lücken in der Datenaufzeichnung. In den Jahren 1986 auf 1987 wurden weitere Altglas-Sammelbehälter aufgestellt. Von 1984 bis 1986 wurden intensive Informationskampagnen zur AG-Sammlung geschaltet (WERBEAGENTUR FREUD, 1984). Prinzipiell ist davon auszugehen, dass die Werbeaktivitäten positive Auswirkungen auf die Sammelbereitschaft der Bevölkerung hatten. Begründet durch die laufende Erhöhung der Anzahl an Sammelbehälter sowie die steigenden Sammelmengen in den Jahren von 1985 bis 1987, ist eine stetige Steigerung der pro Kopf AG-Sammelmengen bis 1993 aufgetreten (HÖSER, 1990). 1993 beliefen sich AG-Sammelmengen auf circa 24 kg/EW*a (gesamt circa 187.000 t), 2014 auf 26 kg/EW*a (BMLFUW, 2015).
Abb. 3: Altglas-Sammelmengen aus Haushalten in Österreich in kg/EW*a von 1978 bis 1993 (HÖSER, 1990)
Abbildung 4 zeigt die Korrelation zwischen der Erhöhung der Sammelbehälter und dem Anstieg der Altglassammelmengen von 1977-1989.
Abb. 4: Zusammenhang zwischen den Altglas Sammelbehältern und Sammelmengen von 1977 bis 1989 in Österreich (BREINL, 1987; HÖSER, 1990; HÖSER und SCHELMBAUER, 1987)
Intensivierung und Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit
Im Verlauf der 80er Jahre forcierte die AREC die Öffentlichkeitsarbeit maßgebend. Dies zeigte beispielsweise 1980 die Kampagne zur getrennten Sammlung von Altpapier. Diese wurde mit österreichischem Staatspreis für Werbung ausgezeichnet. Daraufhin folgten zwei weitere bedeutende Werbekampagnen, welche sich bereits aller zur Verfügung stehenden Medien (Plakate, Zeitungsinserate, Hörfunk und für die damalige Zeit revolutionierend dem Medium Fernsehen) bedienten. Die ambitionierte Öffentlichkeitsarbeit, wirkte sich positiv auf die Sammelmengen aus (WERBEAGENTUR FREUD, 1984).
Resümee
Zusammenfassend sind als die bedeutendsten Entwicklungen im Aufbau eines umfassenden Altstoff-Sammelsystems in Österreich folgende Aspekte zu nennen:
- die Ausweitung der Sammelgebiete,
- die Sammelintensivierungen (verkürzte Abfuhrintervalle),
- die Umstellung der Sammelsysteme (Bündel/Sack-, auf Behältersammlung),
- die Erhöhung der Behälteranzahl, Sammelaufrufe (Informationskampagnen) an die Bevölkerung (z.B. in Zeitungen, Hörfunk) sowie
- die Einführung von Gesamtentsorgungskonzepten.
Autorin
Das Thema “Entwicklung der getrennten Altstoffsammlung in Österreich” wurde im Zuge meiner Masterarbeit im Studienzweig Umwelt- und Bioressourcenmanagement mit dem Schwerpunkt Abfall an der Universität für Bodenkultur Wien erarbeitet. Im Zuge dessen habe ich den Titel Diplomingeneur erlangt. Seit Dezember 2016 bin ich im Abfallservice der Stadt Salzburg tätig. Kontakt: tina.oberleitner@stadt-salzburg.at
Literaturverzeichnis
AREC-VEREIN AUSTRIA RECYCLING. (s.a.a): Altpapiersammlung 1964-1987-Mengen in Tonnen nach Bundesländern. Wien.
AREC-VEREIN AUSTRIA REYCLING. (1990): Altpapierentsorgung in Österreich. Referats- und Diskussionsveranstaltung ARGE Müllvermeidung. Wien.
BMLFUW-BUNDESMINISTERIUM FÜR LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT, UMWELT UND WASSERWIRTSCHAFT. (2015): Die Bestandsaufnahme der Abfallwirtschaft in Österreich – Statusbericht 2015. Wien.
BREINL, G. (1987): Bestandsaufnahme, kritische Analyse und Empfehlungen zur künftigen Tätigkeit der Austria Recycling. Wien: AREC-Studie im Auftrag der AREC.
BREINL, G. (1994): Bestandsaufnahme, kritische Analyse und Empfehlungen zur künftigen Tätigkeit der Austria Recycling. Wien: AREC-Studie im Auftrag der AREC.
GEHRER, T. (1987): Gesamtentsorgungskonzept SAMM-SYST für Altstoffe und Problemstoffe erstellt für die Stadt Bregenz. Wien: Gesamtentsorgungskonzept im Auftrag der Stadt Bregenz. (S. 1 – 73).
HÖSER, F. (1990): Entwicklung der Altglasentsorgung in Österreich. ARGE Müllvermeidung. Wien.
HÖSER,F.; SCHELMBAUER,H. (1987): Konzept 1987 Altglasrecycling in Österreich. Wien.
NEUHOLD, H. (1977.): Bericht des Geschäftsführers zur Vorstandssitzung am 12. September 1977. ÖPG, Wien.
SCHELMBAUER, H. (2006): Festschrift zum 60-Jahre-Jubiläum der Austria Recycling (AREC). (Hrsg.): Austria Recycling (AREC), Verein zur Förderung von Recycling und Umweltschutz in Österreich. Wien.
VOGEL, G. (1976): Studie über die getrennte Sammlung von Altstoffen. Ein Modellversuch in Wien. Schriftenreihe Verpackungsforschung Heft 6. Offsetschnelldruck Anton Rigelnik. Wien. S.5-8,11,20,71,92.
VOGEL, G. (1984): Recycling Möglichkeiten und Grenzen der Abfallverwertung. 2. Aufl. Wien: Servicebetriebe der Hochschülerschaft an der WU Wien Ges.m.b.H., S. 103-124, 152-153, 164.
WERBEAGENTUR FREUD. (1984): Werbekonzeption der ÖPG. Linz: Konezpt im Auftrag der ÖPG.