Im Grünbuch ‘Nachhaltiges Recycling von Glasverpackungen in Österreich. Best in Glass.’ werden die Implikationen von Nachhaltigkeit – also die ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekte der menschlichen Aktivitäten – global betrachtet und unternehmerische Handlungsmöglichkeiten vorgestellt.
Der folgende Text greift den Aspekt Umwelt auf. (Er entspricht dem Kapitel 2.1 im Grünbuch, S 20ff.) In weiteren Beiträgen im Verlauf des Sommers 2016 wird auf die Aspekte Ökonomie und Soziales eingegangen.
1 Umwelt
1.1 Einleitung
Gleich dem einzelnen Menschen besitzt auch die gesamte menschliche Gesellschaft einen Stoffwechsel, der ihren materiellen und energetischen Austausch mit ihrer natürlichen Umwelt beschreibt. Dieser Austausch ist über Arbeit vermittelt. Sowohl aufseiten der Rohstoffentnahmen (Inputs) als auch aufseiten der Abfälle und Emissionen (Outputs) bewirkt der anthropogene Metabolismus sowohl global als auch regional erhebliche ökologische Veränderungen, die in ihrer Tiefe und Tragweite noch kaum absehbar sind. Und die Entwicklungen hängen dramatisch von jenen Entscheidungen des Menschen ab, wie er künftig leben und wirtschaften will. Die Eingriffstiefe des Menschen in seine natürliche Umwelt hat mittlerweile renommierte Wissenschaftler (u. a. Crutzen und Stoermer, 2000) dazu veranlasst, eine Umbenennung der geochronologischen Erdepoche, in der wir uns derzeit befinden, von „ Holozän” in „Anthropozän” vorzunehmen. Denn der Mensch ist zum wichtigsten Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden. Er ist direkt oder indirekt verantwortlich für den Verlust an Ökosystemleistungen und biologischer Vielfalt, für die Flächenversiegelung, Bodendegradation und Desertifikation, für die Luftverschmutzung und Schadstoffemissionen, für die radioaktive Strahlung und Abfall, für die Eutrophierung von Gewässern, Überfischung und die Versauerung der Ozeane, für die Ressourcenverknappung, für die „Vermüllung” und Verschmutzung, für den Wassermangel und die Wasserverschmutzung und für den Klimawandel mitsamt all seinen Konsequenzen wie dem Abschmelzen der Polkappen oder dem Anstieg des Meeresspiegels.
Im Sinne der Überlebensfähigkeit des Menschen muss eine gute Lebensqualität für alle Menschen mit möglichst naturverträglichem und für das globale Ökosystem „optimalem”
materiellen und energetischen Aufwand gesichert werden. Dies muss zum Gegenstand ökonomischer, technischer und politischer Anstrengungen unter Beteiligung einer Vielzahl von Akteur(inn)en werden. Im Folgenden werden daher wichtige globale Handlungsfelder der ökologischen Nachhaltigkeit aufgegriffen und Handlungsimplikationen für die Unternehmensebene aufgezeigt.
1.2 Klimawandel und Klimaschutz
1.2.1 Globale Fakten
Der Klimawandel stellt eine der größten ökologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts dar. Im fünften und damit aktuellsten Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, 2013) werden wissenschaftlich fundierte Informationen zum Klimawandel dargelegt und Handlungsoptionen beschrieben. Der Bericht bestätigt den menschlichen Einfluss bei der Erwärmung der Atmosphäre und des Ozeans, bei Veränderungen des globalen Wasserkreislaufs, bei der Abnahme von Schnee und Eis, beim Anstieg des mittleren globalen Meeresspiegels und bei Veränderungen einiger Klimaextreme. Seit der vorindustriellen Zeit sind die CO2-Konzentrationen um 40 % angestiegen, primär durch die Emissionen aus fossilen Brennstoffen und sekundär durch Netto-Emissionen aufgrund von Landnutzungsänderungen. Der Ozean hat ungefähr 30 % des emittierten anthropogenen Kohlendioxids aufgenommen und dadurch eine Versauerung erfahren. Die Durchschnittstemperatur an der Erdoberfläche ist von 1880 bis 2012 um 0,85 °C angestiegen.
Soll die globale Erwärmung auf einem bestimmten Niveau begrenzt werden, bei dem das Überschreiten irreversibler Tipping-Points verhindert werden soll, so sind dafür erhebliche Minderungen der Treibhausgasemissionen notwendig. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass bei einem Szenario mit sehr ambitioniertem Klimaschutz (auf der Basis der aktuellsten Klima-Simulationen) die Möglichkeit besteht, die globale Erwärmung unterhalb von 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, jedoch nur dann, wenn im Zeitraum von 2010 bis 2050 nur etwa 750 Gt CO2 und bis 2100 nur mehr etwa 1.000 Gt CO2 emittiert werden (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen – WBGU 2011; IPCC, 2013). Dies bedeutet drastische jährliche Emissionsminderungsraten zwischen 3,7 % und 9,0 % pro Jahr (je nach Zeitpunkt des Peaks) und veranschaulicht, wie eng Politik, Unternehmen und Zivilgesellschaft im Sinne dieses Ziels zusammenarbeiten müssen. Gleichzeitig sind Maßnahmen zur Anpassung an bereits jetzt unvermeidbaren Folgen des Klimawandels zu setzen.
1.2.2 Handlungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene
Das Erwirken einer möglichst hohen Energieeffizienz ist für Unternehmen ökonomisch wie ökologisch empfohlen. Das Setzen selbstverpflichtender, ambitionierter Klimaschutzziele (Reduktion von Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz, erneuerbare Energie) sollte für verantwortliche Unternehmen selbstverständlich sein, entsprechende Investitionen und Innnovationen in die Kalkulationen einfließen. Gleichzeitig können und sollten unternehmerische Klimaschutzaktivitäten stets mit einer Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung von Mitarbeiter(inne)n und anderen Stakeholdern einhergehen, um Synergie- und Schneeballeffekte zu begünstigen.
1.3 Ressourcenverknappung
1.3.1 Globale Fakten
Natürliche Ressourcen in Form von Rohstoffen, Wasser und Energie sowie das auf der Erde verfügbare Land bilden die Grundlage allen Lebens auf unserem Planeten. Wir benötigen und entnehmen Ressourcen, die uns die Natur liefert, für unsere Nahrung, Kleidung, als Baumaterial und für die industrielle Produktion. Von Ökosystemleistungen in Form von u. a. Wasserhaushalt, Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit, Luftreinhaltung sind wir in hohem Maße abhängig. Flora und Fauna stellen uns außerdem genetische und physiologische Baupläne für Nutzpflanzen, Welternährung und Forschung zur Verfügung.
Durch einen immer höheren Lebensstandard für immer größere Teile der Erdbevölkerung und die damit verbundene weltweit steigende Nachfrage nach Rohstoffen und Konsumgütern sind natürliche Ressourcen von Übernutzung ernsthaft bedroht. Durch Emissionen und Abfälle werden zusätzlich die natürlichen Kreisläufe verändert und teilweise überlastet. „Peak oil – peak everything” ist das Schlagwort, das die zunehmende Ressourcenverknappung vor Augen führt.
Die Menge an natürlichen Ressourcen, die zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen eingesetzt wird, steigt stetig an. Mit einer Ressourcenentnahme von rund 60 Milliarden Tonnen jährlich entnimmt und verwendet der Mensch heute etwa um 50 Prozent mehr Ressourcen als noch vor 30 Jahren (Giljum et al., 2009). Die Ressourcenentnahme stieg in allen Kategorien von Rohstoffen – Biomasse, fossile Energieträger, Metalle sowie Industrie- und Baumineralien. Besonders deutlich spürbar wird Ressourcenknappheit bei den fossilen Energierohstoffen, da diese weder nachwachsen noch recycelt werden können. Speziell beim Erdöl geht man gemäß der Hubbert-Kurve davon aus, dass im Jahre 2050 nur noch geringe Mengen vorhanden sein werden. Die Prognose des Zeitpunktes und der Höhe eines globalen Ölproduktionsmaximums ist jedoch aus mehreren Gründen mit großen Unsicherheiten behaftet. Die Entnahme und Aufbereitung natürlicher Ressourcen ist oft sehr energie-, land- und wasserintensiv. Daher verursachen diese Prozesse Umweltprobleme wie die Zerstörung fruchtbaren Landes, Wasserknappheit oder Verschmutzung durch giftige Substanzen.
Auch soziale Probleme sind oft mit der Entnahme natürlicher Ressourcen verbunden: Verletzung von Menschenrechten, schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Löhne (Giljum et al., 2009). In den 90er-Jahren wurde das Konzept der Dematerialisierung zur Reduktion von Ressourcenverbräuchen zuerst durch Friedrich Schmidt-Bleek konkretisiert. Demnach müssen sich die Stoffströme etwa um die Hälfte reduzieren, um wieder ein nachhaltiges Niveau zu erreichen. Für den industrialisierten Teil der Menschheit bedeutet dies eine Reduktion um den Faktor 10, d. h. auf etwa ein Zehntel der derzeitigen Stoffströme. Tatsächlich kann eine Dematerialisierung um den Faktor 10 in sich schon einen wichtigen Impuls und eine wertvolle Basis bieten für den Strukturwandel in Richtung einer mehr innovativen und dienstleistungsorientierten Wirtschaft und darüber hinaus kann er nachhaltige Verbraucherwünsche hervorrufen. Der UNEPReport warnt davor, dass sich der Konsum natürlicher Ressourcen bis zum Jahr 2050 verdreifachen könnte, wenn keine Veränderung in den Konsummustern stattfindet. Um eine nachhaltige Extraktion von Ressourcen zu erreichen, ist es notwendig, das wirtschaftliche Wachstum und die Menge an eingesetzten Ressourcen absolut zu entkoppeln und den Ressourcenkonsum in den Industrieländern absolut zu reduzieren.
1.3.2 Handlungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene
Ressourcenschonung und optimaler Ressourceneinsatz sind auch betriebswirtschaftlich sinnvoll und können erreicht werden sowohl durch die Reduktion des Material-, Energie-, Wasser- und Landverbrauchs für Produktion als auch durch die Verwendung und Kreislaufführung der „richtigen”, weil umweltverträglichen Materialien.
Unternehmen können die Dematerialisierung ihrer Produkte anstreben, indem
• jene Materialien mit dem leichtesten ökologischen Rucksack ausgewählt werden
• Konstruktionsweisen und Materialzusammensetzung bestmöglich vereinfacht werden
• Gewicht reduziert wird
• Verbundstoffe und vorzeitige Materialermüdung vermieden werden
• wiederverwendbare Teile eingesetzt werden und
• ganz allgemein ein langlebiges, robustes Produkt über nachhaltiges Design entworfen wird.
Beachtet werden muss jedoch die Gefahr des sogenannten „Rebound-Effektes”, der eine Überkompensation von Einspargewinnen durch Zuwachsgewinne darstellt. Das heißt, dass beispielsweise durch eine effizientere Bauweise eines Produktes dieses billiger angeboten werden kann, was wiederum zu einer verstärkten Nachfrage dieses Produktes führt und damit die Einsparungen wieder zunichtemacht. Aus diesem Grund werden neben der Effizienz-Strategie auch die Konsistenz-Strategie – d. h. die optimale Verwendung von Materialien (entweder in technischen Kreisläufen oder im Naturkreislauf) – und die Suffizienz-Strategie – d. h. die Selbstbegrenzung des Konsums auf das, was genügt – in den wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskurs mit eingebracht.
1.4 Flächen- und Biodiversitätsverlust
1.4.1 Globale Fakten
In der Biosphäre und in der Beschaffenheit der Erdoberfläche hat der Mensch große Veränderungen bewirkt. Die wachsende Erdbevölkerung, die gesteigerte Produktion von Bioenergie und stofflicher Biomassenutzung, die sich ausbreitende Infrastruktur und Urbanisierung sind wesentliche Gründe für den großen Druck auf die Landnutzung. Wälder, Savannen und Grasland werden mit zunehmender Geschwindigkeit für die Landwirtschaft gerodet. Die rasche Urbanisierung und die Ausbreitung der Infrastrukturen versiegeln Boden für lange Zeit. Die Bodendegradation wird zudem durch Entwaldung, Überweidung, die Ausweitung nicht nachhaltiger landwirtschaftlicher Produktion (z. B. Überdüngung) und Bodenversalzung vorangetrieben (WBGU, 2011).
Laut UNEP (2007) gehen durch Bodenerosion jährlich 20.000-50.000 km2 Landfläche für die Produktion verloren. Mit Bodendegradation und Desertifikation als voranschreitende weltweite Probleme werden in den kommenden Jahrzehnten die Handlungsspielräume in der Agrarproduktion, beim Naturschutz, für Wassereinzugsgebiete, Wälder und Klimaschutz insgesamt eingeschränkt werden.
Der Verlust an Fläche und die großflächigen Landnutzungsänderungen sind neben den Konsequenzen des Klimawandels die größten Treiber für den Verlust der biologischen Vielfalt. Im Vergleich zum Mittel der Erdgeschichte ist die heutige Aussterberate der Tier- und Pflanzenarten bereits hundert- bis tausendfach erhöht. Nach Rockström et al. (2009) ist jedoch bereits eine Verzehnfachung der natürlichen Aussterberate eine Grenze, jenseits derer unerwünschte großskalige Systemveränderungen nicht ausgeschlossen sind. Heute gelten bereits 22 % der Säugetiere, 14 % der Vögel, 31 % der Amphibien, 28 % der Nadelhölzer und 52 % der Palmfarne als gefährdet oder ausgestorben (WBGU, 2011). Vielfach wird das derzeitige Artensterben als die sechstgrößte, irreversible Auslöschung von Arten in der Erdgeschichte beschrieben. Da Ökosystemleistungen den Charakter öffentlicher Güter haben und ihnen keine Preise zugeordnet sind, wird der Wert, den diese Leistungen tatsächlich für den menschlichen Erhalt haben, im Wirtschaftssystem massiv unterschätzt und kein monetärer Anreiz zu ihrem Schutz geboten.
1.4.2 Handlungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene
Vorsorgende und vorausblickende Unternehmen sind gut beraten, eigene sowie der eigenen Geschäftstätigkeit vor- und nachgelagerte Auswirkungen auf Flora und Fauna im Rahmen eines aktiven Monitorings und Reportings zu erheben. Besonders der Faktor Flächenversiegelung kann und muss durch die eigenen Unternehmensaktivitäten z. B. bei Ausweitung von Industriebetrieben, Errichtung von Einkaufszentren und Parkplätzen etc. weit sorgsamer und vorausschauender berücksichtigt werden als bisher.
Lesen Sie hier über die gesellschaftliche Dimension von Nachhaltigkeit.
Autor
Der Text ist dem Grünbuch’Nachhaltiges Recycling von Glasverpackungen in Österreich. Best in Glass.’ von Austria Glas Recycling, erschienen 2014, entnommen. Redaktion: DI Julia Buchebner (plenum), Dr. Harald Hauke (Austria Glas Recycling), Monika Piber-Maslo (Austria Glas Recycling), Dr. Alfred Strigl (plenum)
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