Erfolgsfaktoren für Nachhaltigkeit: gesellschaftliche Relevanz und Gestaltungswille

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Martin Verdino, Beatrice Verdino und Monika Piber

Monika Piber (MP) im Gespräch mit Béatrice (BV) und Martin Verdino (MV), Gründerin und Gründer der gleichnamigen Agentur VERDINO, über Nachhaltigkeit im Kommunikationsbusiness.

MP: Für euch, für die Agentur VERDINO sind Unternehmen und Unternehmungen wichtig, die von gesellschaftlicher Relevanz sind. Eure Referenzen zeigen es: Gesundheit, Recycling etc. – Healthcare und Responsible Business, wie ihr das nennt. Wie gelingt es euch, ein derart ausgeprägtes Profil als Kommunikationsagentur zu entwickeln?

MV: Wir sind seit 25 Jahren – also schon vor der Gründung von VERDINO – in der Unternehmenskommunikation tätig. Von Anfang sehr stark im Healthcare-Bereich. Einen Kunden betreuen wir seit 25 Jahren durchgehend. Für uns ist wichtig, sinnvolle Projekte umzusetzen.

BV: Wir haben immer viel Herzblut reingesteckt und sind sehr stark in die Tiefe gegangen. Wir bauten zu unserem Kommunikations- und technischen Know-How spezifisches Branchen-Know-How auf. So können wir alle Projekte fundiert und nachhaltig entwickeln.

MV: ‚Etwas Sinnvolles machen wollen‘, das ist uns beiden persönlich einfach wichtig. Wir wollen Projekte umsetzen, die relevant sind – gesellschaftlich, sozial, wie auch immer. Und wir wollen mit Unternehmen arbeiten, mit denen wir uns identifizieren können. Das Recyclingthema passt daher perfekt in unser Sinnthema rein. Wir haben es nicht dogmatisch niedergeschrieben, aber ganz klar definiert, dass wir für Kunden, die sozial, ökologisch und gesellschaftlich schädlich agieren, nicht arbeiten.

MP: Ihr habt euch 2019 einen stringenten Change Prozess unter dem Motto ‚smart work‘ auferlegt, der in einer 4-Tage-Woche plus Innovation-Friday mündete. Was waren die Auslöser? Wie sieht smart work bei VERDINO aus? Und was haben eure Kunden davon?

BV: Wir haben ein Drei-Säulen-Modell als Basis für den Change Prozess. Das sind einerseits die Mitarbeiter, der Markt und die Kunden sowie die Agentur an sich.

MV: Wir haben für uns – schon lange vor ‚Smart Work‘ – definiert: Wir brauchen Struktur und ganz klare Prozesse, damit wir kreativ sein können. Damit wir uns nicht ständig damit beschäftigen müssen, wie die Abläufe sind und wer jetzt was braucht und wer was kriegt. Klare Abläufe geben uns den Freiraum, kreativ zu sein und die für den Kunden optimale Lösung zu erarbeiten.

BV: Es gab dazu auch den Wunsch nach Flexibilisierung von einzelnen Mitarbeitern. Bei der Einführung haben wir den Status quo und die Anforderungen analysiert, und geschaut, wie wir das in diese drei Säulen einbetten können.

MV: Als Ergebnis dieser Analyse steht nun unser Modell ‚Smart Work‘. ‚Smart Work‘, weil es sehr viel mehr umfasst, als Arbeitszeit zu verkürzen. 4-Tage-Woche ist das große Schlagwort, das klingt so nach ‚wir arbeiten weniger‘. Aber: Es sind vier Tage hochkonzentriert Vollgas. Das ist anspruchsvoll. Wir müssen effektiver und effizienter arbeiten. Wir sind damit auch spitzer und kantiger geworden und werden dadurch auch am Markt verstärkt wahrgenommen. Selbstverständlich sind wir auch am Freitag für unsere Kunden da. Wir bieten einen Bereitschaftsdienst, den die Kundinnen und Kunden via Online-Formular erreichen können. Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter hat einmal im Quartal an einem Freitag Bereitschaftsdienst und unterstützt Kunden, wenn diese etwas brauchen.

BV: Ein sehr positiver Effekt ist, dass alle Mitarbeiter – auch die, die nicht in der Kundenbetreuung sind – ein Gefühl dafür entwickelt haben, was es bedeutet, in der Kundenbetreuung zu sein. Und was es bedeutet, wenn ich von Montag bis Donnerstag etwas nicht gescheit oder nicht fertig gemacht habe. Dann badet das wer anderer aus. Ein besseres Qualitätssicherungsinstrument gibt es gar nicht.

MV: Man bekommt dadurch auch mehr Gefühl für andere Projekte, weil man ja eigentlich in allen Projekten ein bisschen drinnen ist. Als wir das erkannten, verbesserten wir die Strukturen noch einmal. Nunmehr kann jede und jeder jederzeit bei jedem Projekt einsteigen. Das funktioniert natürlich nicht nur am Freitag in der Bereitschaft, sondern auch im Krankenstand. Ist also ein Qualitätsschub.

BV: Und es funktioniert auch, wenn neue KollegInnen eingestellt werden. Das schätzen unsere Kunden. Ich höre oft von Kundenseite, man kann auch im Falle eines Betreuungswechsels sofort da weitermachen, wo man stand. Man bleibt auf dem Kooperationsniveau.

MV: Und ein sehr wichtiger, weiterer Faktor war, dass wir zusätzlich zu dieser 4-Tage-Woche Innovation-Fridays eingeführt haben. Da schaffen wir Raum für Innovation. Das können sehr unterschiedliche Themen sein, z.B. neue Tools, Methoden, Möglichkeiten in der Technologie, im Design, in der Kommunikation. Ganz entscheidend ist für uns auch, dass wir externe Leute und Kunden dabei mitnehmen. Wir wollen ganz bewusst die Kundenperspektive und die Marktperspektive integrieren. Davon profitiert natürlich der Kunde. Denn er kann die Innovationen, an denen er ja Anteil hatte, für das eigene Business nutzen und auf seinem Markt reüssieren.

MP: Welche Kennzahlen zeigen euch nun auf Kunden-/Marktseite, beim Team/Recruiting und für den Agentur-/Geschäftserfolg, ob der Weg passt?

BV: Mit dem Team entwickelten wir KPIs für die drei Säulen: Agentur, Kunden + Markt, Team – zusätzlich zu Kunden-Zufriedenheitsumfragen, die wir schon immer gemacht haben.

MV: Im Zuge unseres Entwicklungsprozesses unterhielten wir uns zum Beispiel auch mit Herrn Dr. Hauke (Anmerkung: Geschäftsführer der Austria Glas Recycling). Es war für uns sehr entscheidend zu wissen, wie zufrieden er mit unserer Leistung ist, wo er Verbesserungsbedarf sieht. Für dieses offene Feedback sind wir dankbar. Derartige Gespräche werden wir wiederholen und kritisch schauen, wie sich die Zufriedenheit entwickelt.

BV: Was den freitäglichen Bereitschaftsdienst anbelangt: Es sind bis jetzt nur jeden zweiten Freitag Anfragen erfolgt, und da meist zwischen 9 und 10 Uhr. Wir können also vorsichtig sagen, die Qualität von Montag bis Donnerstag stimmt.

MV: Als eine weitere Messgröße sehen wir die Zahl der Initiativbewerbungen. Wir formulierten das Ziel: „Wir wollen mehr relevante, spannende Initiativbewerbungen“. Vor der Repositionierung hatten wir etwa alle 1-2 Monate eine Initiativbewerbung. Jetzt – die Anzahl ist noch im Steigen begriffen – halten wir bei circa 3-4 pro Woche. Die meisten davon sind wirklich interessant. Derzeit bekommen wir vor allem aus Deutschland viele Bewerbungen. Menschen sind bereit für VERDINO zu arbeiten und dafür auch umzuziehen. Das freut uns sehr, denn es zeigt uns, dass wir das Employer Branding richtig angegangen sind. Dass es uns gelingt, Leute anzuziehen, die genau das richtige Mindset haben.

BV: Das war nämlich ein sehr wichtiges Learning aus diesem Change Prozess. Als Begleiterscheinung ist herausgekommen, welches Mindset wir eigentlich brauchen. Kurz gesagt, was braucht es, um in einer Agentur zu arbeiten und dort auch glücklich zu sein. Und da hat es sich gezeigt, dass durch die klarere Positionierung sich Leute gemeldet haben, die gut zu uns passen.

MV: Einerseits geht es darum, dass die Mitarbeiter „was Sinnvolles machen“ wollen und es ist immer wichtiger ist, dass man sich mit dem identifizieren kann, was man tut. Andererseits geht es darum, Mitgestalten zu wollen und zu können, sich proaktiv einzubringen und eine Hands-on-Mentalität sowie einen gewissen Pragmatismus an den Tag zu legen. So nach dem Motto „es muss eine Lösung geben“, auch wenn die Aufgabenstellung noch so unbewältigbar erscheint. Denn wenn man nicht flexibel agiert und anpassungsfähig ist, dann wird man sich an die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen und oft unklaren Aufgabenstellungen nicht gewöhnen können. Für viele die passende Challenge, für andere wiederum eine Überforderung.

MP: Ihr seid seit 25 Jahren am Markt erfolgreich. Was macht euch aus? Was schätzen eure Kunden an euch?

BV: Um es kurz zu erläutern. Martin’s ursprüngliche Profession ist die Architektur. Und ich denke, dass darin die Wurzel liegt, da du immer etwas erfindest, kreierst und konstruierst und dann baust.

MV: Ja, stimmt. Im Grunde genommen, geht’s bei der Architektur um’s Zerlegen und neu zusammensetzten und sehr viel um die Mischung aus Gestaltung aber auch Struktur und Organisation. Und gerade das Gestalten ist, glaub ich, für uns ein entscheidender Punkt. Und Nachhaltigkeit vielleicht aus der Perspektive, wie man es machen soll – nämlich nachhaltig sein.

BV: Ich persönlich habe schon bei der einen oder anderen Unternehmensgründung vor VERDINO Erfahrungen gesammelt und mir geht es dann auch immer stark um die Umsetzung.

MV: Bei dem was wir tun geht’s ja oft natürlich um strategische Aspekte, aber das reicht uns nicht. Wir wollen nicht nur eine Strategie entwickeln, sondern wir wollen auf Basis der Strategie Entwicklung vorantreiben. Machen und zeigen, dass es geht. Ein Beispiel für unsere Herangehensweise war genau dieser Change Prozess. Viele reden von ‚new work‘ und von all diesen Themen und wir haben gesagt – wie bei all den Projekten – wir wollen nicht nur darüber reden, sondern wir wollen tun. Wir Gestalten, Designen und …

BV: … wir bringen es auf den Boden und setzen es um, auch wenn‘s nicht immer reibungslos oder perfekt ist.

MV: Ja, genau. Wir machen es und wir zeigen, dass es geht. Und wenn wir draufkommen, es funktioniert dort oder da nicht, dann justieren wir.

BV: Wir sind sicher auch mutig, denn es braucht Mut, um Veränderungen herbeizuführen.

MV: Und eine Unabhängigkeit. Die Unabhängigkeit kann man bis zu einem gewissen Grad selber bestimmen. Was nützt es davon zu reden, wer alles mich daran hindert, etwas zu tun – die Vorgesetzten, der Markt, die Mitarbeiter. Dass man sich ja sein Umfeld nicht aussuchen kann. Ja, sehr wohl kann man sich das aussuchen!

MP: Danke für das Gespräch. Alles Gute und auf eine weiterhin nachhaltige und gestaltungsfreudige Zusammenarbeit.

im Vordergrund Martin Verdino, Monika Piber und Beatrice Verdino
v.l.n.r. Martin Verdino, Monika Piber, Béatrice Verdino (©VERDINO/Angelika Schiemer)

AutorInnen

Martin und Béatrice Verdino: »Wir wollen wachsen, wir wollen etwas bewegen und wir wollen Spuren hinterlassen. Das schaffen wir mit mehr Raum für Innovation und mit einem neuen Arbeitsmodell. Smart Work bietet einen flexiblen Rahmen und erlaubt uns, agiler zu arbeiten. DIGITAL first beschreibt unseren Fokus als Full Service Agentur, schließt aber klassische Kanäle nicht aus. Und im Spirit zeigt sich unsere Haltung. So machen wir das.«
Strategie, Branding, Kampagnen, Websites, Employer Branding, digitale Services und Social Media. Von der Idee bis zur laufenden Beratung.
Wir machen das. Mit Herz, Hirn und Fingerspitzengefühl. www.verdino.com

Monika Piber: arbeitet seit 1993 für Austria Glas Recycling, Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit, entwickelte mit VERDINO mehrere Launches von www.agr.at, den Blog www.austriaglasrecycling.at sowie Auftritt und Kampagnen der Austria Glas Recycling auf Facebook und Instagram.


Nachtrag: Das Gespräch fand vor den COVID-19-bedingten Ausgangsbeschränkungen und home-office-Empfehlungen statt. Wir haben VERDINO befragt, wie sie mit dieser Situation umgehen. Telefonisch selbstredend.

MP: Viele Menschen müssen nun erstmals viele Tage fern ihrer Büros, ihren KollegInnen arbeiten. Inwiefern hilft euch ‚smart work‘ in der jetzigen Situation?

BV: Wir sind durch unsere Umstellung vor bald einem Jahr auf die 4-Tage gewissermaßen sehr gut vorbereitet gewesen und konnten von einem Tag auf den anderen das gesamte Team auf remote umstellen.

MV: Wir haben bereits im Sommer eine mobile Telefonanlage eingeführt, d.h. unsere Endgeräte sind Smartphones und alle Einstellungen sind über ein zentrales Webinterface steuerbar. Hinzu kommt unsere Ticket-orientierte Arbeitsweise. Wir arbeiten in einem digitalen Tool und tauschen uns für die Arbeit über Ticketzuweisung aus bzw. durchlaufen diese Tickets von der Bearbeitung her einen Prozess durch, wo alle Involvierten genau Bescheid wissen, wie der Status ist und wann die gelieferte Arbeit beim Kunden ist.

BV: Zusätzlich können alle auf den Server und unser zentrales Info-Tool zugreifen, wo alle relevanten Projektinformationen abgespeichert sind.

MV: Die Kommunikation läuft über MS Teams und dort gibt es projektbezogene, Gruppen- oder Einzelchats.

BV: Wie es hieß, dass „Teleworking“ empfohlen wird, haben zwei Mitarbeiter über das Wochenende auf Eigeninitiative einen Remote-Guide erstellt, um den TeamkollegInnen den Einstieg in das vollständige Remote-Arbeiten zu erleichtern.

MV: So waren wir sehr gut vorbereitet. Nichtsdestotrotz freuen wir uns wieder darauf, den guten Kaffee mit dem Team im Atelier zu trinken und unsere Kunden wieder persönlich zu sehen!

Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Text nicht konsequent gegendert, wobei immer weibliche als auch männliche Personen gemeint sind.


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